Askese in den Bergen

Das Alpine Museum zeigt in der Ausstellung "Hoch hinaus! Hütten und Wege in den Alpen" wie die Bergwelt erschlossen wurde
Joachim Goetz |
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Neue Prager Hütte in der Venedigergruppe, 2015.
Friederike Kaiser 2 Neue Prager Hütte in der Venedigergruppe, 2015.
Die neue Höllenangertalhütte.
Anton Sieben/Wikimedia 2 Die neue Höllenangertalhütte.

Das Alpine Museum zeigt in der Ausstellung "Hoch hinaus! Hütten und Wege in den Alpen" wie die Bergwelt erschlossen wurde

Matratzenlager mit einfachen Decken statt wolliger Federbetten, kein Radio, kein Grammophon und "sehr einfache Verpflegung". Das - und weitere asketische Einschränkungen - sahen die Tölzer Richtlinien vor, die der Alpenverein in den lebenslustigen frühen 1920er Jahren für den Betrieb seiner Hütten verabschiedete.

Das hatte gute Gründe - und fruchtete nicht überall. Wie die Ausstellung "Hoch hinaus! Wege und Hütten in den Alpen" derzeit im Alpinen Museum mit zahlreichen Architekturmodellen, Möbeln, Gemälden, Zeichnungen, Postkarten oder Verbotsschildern zeigt. Der Luxus (für einige wenige reich gewordene Städter) hatte sich teilweise auch in den Bergen Bahn gebrochen. Speisekarten mit Kalbsbraten, Schnitzel und Würzburger Stein in Bocksbeuteln beweisen dies. Und Zimmer für wenige gab es nach wie vor.

Dröppelminna gegen Design

Die Bergführer schliefen übrigens auf Strohlagern getrennt von der Herrschaft auf dem zugigen Dachboden. Das kann man etwa auch an der liebevoll "Urhölle" genannten Höllentalangerhütte sehen, die 2013 abgetragen und im Garten des Münchner Museums - soweit es ging - originalgetreu wiedeaufgebaut wurde. Sie ist nun eins der wichtigsten Exponate.

Denn die Schau widmet sich der Entwicklung von Hütten und Wegen in den Ostalpen aus kultur- und architekturgeschichtlicher Sicht. Die ersten Bauten waren unbewirtschaftete Schutzhütten, um die Gipfel der Umgebung leichter - weil in mehreren Etappen - besteigen zu können. Dank der Verkehrserschließung der Alpen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der steigenden Zahl von Hütten entwickelte sich schließlich ein weltweit einzigartiges breitgefächertes Wegenetz in den Ostalpen.

Inzwischen gibt es etwa 500 Hütten und 30 000 Wegekilometer. Hütten wurden auf mehreren Seiten von Bergen errichtet, Verbindungswege zu Nachbarshütten wurden gebaut. Entstanden ist dies alles durch eine zutiefst solidarische Idee: Jedes Alpenvereinsmitglied, egal welcher Sektion, darf alle Hütten benutzen - lange Zeit gab es für sämtliche Hütten sogar identische Schlüssel.

Der einheitliche Hüttenstil

Das Vertrauen darauf, dass andere ähnlich forsch ans Erobern der Alpen gingen wie man selbst, sollte so in wenigen Jahrzehnten diese ambitionierte alpine Infrastruktur aufbauen, die nun eine durchgängige Begehung der Ostalpen für Bergsteiger und Wanderer ermöglicht. Bei der Ausstattung überwog der alpenländische Stil mit Holzvertäfelung, Kachelofen, bäuerlichem Mobiliar.

Eine Reihe zusammengesammelter Brettstühle demonstriert den einheitlichen "Hüttenstil". Der freilich durch den Stolz der Erbauer aufgebrochen wurde. Die Hagener servierten zur Eröffnung ihrer Hütte Pumpernickel, die Sektion Barmen (heute Wuppertal) stattete ihr Alpendomizil mit einer typischen "Dröppelminna" - sprich: Kaffeekanne - aus dem Bergischen Land aus.

Von den geradezu bürokratisch anmutenden Anforderungen an unterschiedliche Wege kam man übrigens schnell wieder ab. Sie sollten beispielsweise "sorgfältig geebnet und geschottert" werden oder bestimmte Steigungen und Breiten einhalten.

Seit 1977 herrscht sogar Baustopp in den Bergen. Wege werden nur noch repariert, Hütten ersetzt oder erweitert. Zum Schutz der Alpen. Ökologische Sanierung lautet nun das Motto. Alternative Energiegewinnung rückte in den Mittelpunkt, neue Verfahren zur Reinigung von Abwässern werden in Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Behörden entwickelt.

W-Lan in der Hölle

Und die Architektur? Spektakuläre Bauten wie etwa die einem Aluminium ummantelten Felsbrocken ähnelnde Monte Rosa-Hütte bei Zermatt findet man in den Ostalpen kaum. Das neue Waltenberger Haus im Allgäu prägt optisch eher der behutsame Umgang mit der Landschaft - eine rundlich an den Bergrücken angeschmiegte "Holzhütte" mit Pultdach, über das dann eine mögliche Lawine drüberrutschen kann.

Und die oberhalb der Höllentalklamm gebaute neue "Hölle", die an besonders beliebten Tagen gut 100 Wanderern Betten und immerhin 1500 Ausflüglern Essen bieten kann, überrascht mit W-Lan, einem Seminarraum und Sanitäranlagen vom Feinsten mit heißen Duschen.

Ansonsten ist eher stückhafte Erweiterung angesagt. Wie das Modell der Braunschweiger Hütte im Ötztal zeigt. Da darf der Besucher den heutigen Prachtbau in Klötzchen zerlegen - das sind die in mehr als 100 Jahren erfolgten Anbauten. Um sie dann stückchenweise wie in einem dreidimensionalen Puzzle wieder zusammenzufügen.

Alpines Museum, Praterinsel 5, bis 8. April 2018, Di-So 10 - 18 Uhr, Der Katalog (Böhlau-Verlag) kostet 49 Euro

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