Art Basel: Dem Himmel schon wieder so nah

Verführerisch blau leuchtet der Himmel durch die fulminante Lichtöffnung auf den Basler Messeplatz. Auf den ersten Blick hat sich nichts verändert. Nur die rot-weißen Zelte des Zirkus' Knie, die sonst in der Rosentalanlage stehen, sind einem schicken schwarzen Corona-Testzentrum gewichen. Das genauso schwarze Arm-"Bandeli", das man hier bekommt, öffnet Tür und Tor und schaut so elegant aus, dass man es für den Zugang zum Champagner-Art-Frühstück oder sonst was halten könnte. "Covid-19 Certificate Checked" ist dann zwar nicht ganz so sexy, aber der Schriftzug wirkt beruhigend. Auf alle. Denn so kann mit der Art Basel die nach wie vor wichtigste Messe für zeitgenössische Kunst wieder vor Ort stattfinden.
Art Basel: Weniger Andrang als in den Vorjahren
Ohne Bussi Bussi. Es soll ja Menschen geben, die das am allerwenigsten vermissen und es regelrecht genießen, neuerdings "unbehelligt" durch die Hallen stromern zu können. Abgesehen davon hat man aber auch sonst freie Bahn, denn es sind deutlich weniger Besucher unterwegs als in den Jahren zuvor. Für Messechef Marc Spiegler mag das nicht ganz so erquicklich sein, den großen Hype muss er eh abschreiben, Hollywoods Kunstschickeria von Brad Pitt bis Leonardo DiCaprio sowieso. Der "Glamfaktor" sei aber nicht so wichtig, sagt Spiegler, ohne dabei rot zu werden. Freilich sieht er auch, dass was geht - und viel sogar!
6,5 Millionen Dollar für ein Gemälde von Philip Guston ("The Poet") sprechen für sich, wenngleich der Amerikaner zu den sichersten Banken überhaupt gehört. Und so geht es munter weiter: Für 5,5 Millionen Dollar wechselte eine Eisenplastik von David Smith ("Vertical Structure") den Besitzer, eine in Rot bis Pink leuchtende Lichtinstallation von Dan Flavin brachte der New Yorker Galerie von David Zwirner 3 Millionen ein. Und dann sind da noch Dutzende von Verkäufen im 1-Millionen-Bereich. Ganz ohne die Amerikaner mit ihrem rasant-aggressiven Kaufverhalten, das sie zum Ausgleich Anfang Dezember auf der Art Basel Miami ausleben dürfen.
Auch ohne internationale Besucher ein Erfolg
"Diese Messe haben die Europäer gerettet", schwärmt der Salzburger Thaddaeus Ropac mit Dependancen in Paris, London und neuerdings in Seoul. Die großen Sammler, die den Basler Superevent zeitweise gemieden hätten, seien alle wieder gekommen. Und es geht sichtlich entspannt zu, man lässt sich Zeit, plaudert, hat Platz vor den Objekten, wird nicht weitergeschoben.
Online ersetzt nicht die Realität
Alles immer nur online zu sehen, macht ja auch den sogenannten Digital Natives keine rechte Freude mehr. Johann König, der vor zwei Jahren mit seinem Buch "Blinder Galerist" von sich reden gemacht hat, hängt auf der Messe zwar dauernd am Smartphone, aber mit Leuten am Tisch zu sitzen, sei durch die beste Zoomkonferenz nicht zu ersetzen. Dabei war der Berliner, der just zum Brexit eine Galerie in London eröffnet hat und jetzt wie Ropac in Seoul durchstarten will, um Online-Strategien nie verlegen. Das wird auch weitergehen, ist er überzeugt. Erträge bringt es allemal. Dennoch vermisst König seine Kunden aus Übersee: "Größere Projekte bespricht man in echt", und da seien Messen die ideale Plattform.

Qualität statt Quantität
Vielleicht gibt die aktuelle Konzentration in Basel ja noch einen extra Kick. "Statt der Quantität ist es jetzt eben die Qualität", resümiert Silke Thomas von der gleichnamigen Münchner Galerie, "wir beobachten vor allem ernsthafte Käufer". Wer hier fündig wird, muss es auch ernst meinen zwischen einem frühen Edvard Munch von 1893/94, dem ältesten Werk der Messe, erstaunlichen Arbeiten von Macke, Modersohn-Becker und einem Knüller von Picasso: Seine Geliebte "Marie Thérèse" von 1936 für 16,5 Millionen Euro (plus Steuer) könnte der Art zu einer weiteren Topmeldung verhelfen. Dass das sehr junge Fräulein Walter heute mindestens ein Fall für #MeToo wäre, steht dafür auf einem ganz anderen Blatt.
Apropos, die Frauen mögen vielleicht nicht so präsent sein wie derzeit in der famosen Schau "Close-up" der Fondation Beyeler. Aber just die im Basler Vorort Riehen vertretenen Künstlerinnen von Alice Neel bis Cindy Sherman tauchen auch auf der Messe auf. Rein zufällig natürlich. Wobei Sherman längst keinen Push mehr braucht, und sich Louise Bourgeoise schon seit Jahren im oberen Preissegment tummelt. Es hat ja auch Ewigkeiten gedauert, bis die 2010 verstorbene Französin im hohen Alter endlich berühmt wurde.
Kunst als Investition
Dass die reichen Millennials den Kunstmarkt retten sollen, will dagegen noch nicht einleuchten. Laut einer Studie der Art Basel und der Schweizer Bank UBS hätten die in den 1980er- und 1990er Jahren geborenen Sammler im ersten Halbjahr dreimal so viel Geld in Kunst investiert als die Älteren. In Basel hängen die Jungen eher im Schlepptau der Eltern. Gerade aus dem benachbarten Frankreich sind wieder köstliche Familienformationen gekommen, die sich in Zweireiher und Kleidchen durchs Angebot diskutieren.
Die Männer setzen sich dann gerne mal ab, um bei einer Kalbsbratwurst für 8 Franken 50 den nächsten Kauf zu überdenken. Auf der Messe ist das quasi das Discount-Angebot. Denn in dieser Hinsicht hat sich rein gar nichts geändert. Die Hotels sind astronomisch teuer wie eh und je, der Kaffee müsste demnächst im zweistelligen Franken-Bereich landen. Von adäquaten Begießungsritualen am fast leeren Ruinart-Champagner-Stand ganz zu schweigen.
Messe jetzt für alle geöffnet
Aber das mag sich ab heute ändern, wenn die Vorbesichtigungstage für Sammler und Museumsleute vorbei sind und die Messe für jeden öffnet. Beim Tagesticket für 65 Franken wirkt etwas Spritziges womöglich wiederbelebend. Fürs Erste war die Art-Pause jedenfalls heilsam, zumindest für die Großen. Der Effekt dürfte allerdings nicht lange andauern. Und glaubt man Thaddaeus Ropac, steht der Kunstmarkt kurz vor einem neuen Boom. Himmel hilf, möchte man da nur flehen.
Art Basel, bis Sonntag, Informationen unter www.artbasel.com