Andrea Lissoni ist der neue Chef im Haus der Kunst
Der Weg von Mailand nach München führt normalerweise nicht über London, aber in diesem Fall schon: Der 1970 in Mailand geborene Kunsthistoriker Andrea Lissoni, zurzeit noch Senior Curator an der Londoner Tate Modern, wird ab 1. April 2020 das Münchner Haus der Kunst als „künstlerischer Geschäftsführer“ leiten.
Kunstminister Bernd Sibler konnte gestern – nicht zuletzt dank Unterstützung der internationalen Findungskommission, (der auch Ex-Tate-Chef Nicholas Serota angehörte) und des Expertenrats – den Museumsmann aus dem Hut zaubern. Den erwartet hier eine Mammutaufgabe: Ein personell, finanziell und baulich strapaziertes und sanierungsbedürftiges Haus ohne eigene Sammlung in eine rosige Zukunft zu führen!
Wer erstmals eine Frau an der Spitze des Hauses erwartet hatte, wurde enttäuscht. Andrea Lissoni, den Nina Zimmer von der Findungskommission als „Mann der leisen Töne“ lobte, präsentierte sich indes als zugewandter Mittler, der Teamwork im eigenen Haus und extern groß schreibt.
Im Westen und entlang der Seidenstraße
Vorsichtig optimistisch skizzierte er seine Visionen: Er wolle eine „Melodie“ für das Haus finden, inhaltlich gelte es, den Veränderungen des 21. Jahrhunderts gerecht werden, der Digitalisierung und dem Thema „gesellschaftlicher Zugehörigkeit“. Darüber hinaus will er in Ausstellungen neue Kunst-Regionen, im „Westen, aber auch entlang der Seidenstraße“ erschließen.
„Internationale Vernetzung, Managementerfahrung und inhaltliche Expertise“ sind laut Sibler die Pluspunkte des Italieners. Letzteres ist insofern interessant, als Lissoni an der aus Kostengründen abgesagten Übernahme der Joan-Jonas-Retrospektive aus London mitgearbeitet hatte. Vor seiner Zeit dort war er Kurator am Mailänder Zentrum für Gegenwartskunst Hangar Biccocca.
Wie, wann, in welcher Form und zu welchem Preis der Umbau nach dem umstrittenen Entwurf des britischen Star-Architekten David Chipperfield stattfindet, wird sich in den kommenden Monaten entscheiden. Der Minister betonte allerdings, dass man anstrebe, den Betrieb des Haus mit einer etappenweisen Sanierung bei Teilschließung fortzuführen. Für den neuen Chef bleibt das dennoch eine große Herausforderung.
Sein Gespür für Stimmungslagen und Zeitgeist hat Andrea Lissoni jedenfalls bereits unter Beweis gestellt: Auf die Frage nach seiner Meinung zu Chipperfields Plan, die geschichtsträchtige Architektur wie 1937 im Stadtraum freizustellen, meinte er: „Es ist kein guter Moment, um Bäume zu fällen“.
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