Ägyptologe Schlögl: Nofretete machtvoll wie keine Frau zuvor

Seit hundert Jahren gibt die geheimnisvolle Nofretete der Wissenschaft Rätsel auf.
von  Nada Weigelt

Seit hundert Jahren gibt die geheimnisvolle Nofretete der Wissenschaft Rätsel auf.

Der renommierte Ägyptologe Hermann A. Schlögl stellt die Pharaonen-Gattin jetzt in seinem neuen Buch „Nofretete. Die Wahrheit über die schöne Königin“ als machtvolle Mitregentin von König Echnaton vor. In einem Gespräch sagt der emeritierte Professor aus Freiburg, warum. Und erklärt, was er in einer neuen DNA-Analyse über die Königsfamilie herausgefunden hat.

AZ: Herr Schlögl, was ist das Besondere an Nofretete?

Hermann A. Schlögl: „Nofretete war die Große Königliche Gemahlin von Amenophis IV., später Echnaton genannt. Schon in seinen ersten Regierungsjahren führte der Pharao die Verehrung eines einzigen Gottes – des Lichtgottes Aton – in Ägypten ein. Und das Interessante ist: Nofretete war nicht nur die schöne Frau an der Seite des revolutionären Umstürzlers, sondern sie war offenbar eine treibende Kraft bei dieser Kulturrevolution. Das belegen zahlreiche Quellen und Textfunde.

War es üblich, dass eine Frau eine so starke Rolle bekommen konnte?

Eine solche Macht hat keine Frau vor ihr und keine nach ihr gehabt. Reliefdarstellungen und Texte belegen ihre Stellung. So findet sich zum Beispiel in der Sammlung der Berliner Museen ein Hausaltar mit der Darstellung der königlichen Familie. Dort sitzt Nofretete auf dem Thron und ihr Gemahl vor ihr auf einem Stuhl, wodurch ihre Bedeutung demonstriert wird. Und am Grab ihres Vaters Aja, der den Titel eines königlichen Schwiegervaters erhielt, heißt es von Nofretete: "Sie, die Aton mit ihrer süßen Stimme zufriedenstellt".“

Würden Sie den Aton-Kult als Monotheismus werten?

Es war ganz klar die erste monotheistische Religion der Weltgeschichte. Echnaton ("Dem Aton angenehm") verbot die Vielzahl der anderen ägyptischen Götter und schaffte sogar die Pluralschreibung von Gott ab. Aton galt demnach als der einzige Gott, es gab keine anderen Götter neben ihm. Seine Nachkommen waren der Pharao und dessen Gemahlin. Mit dieser Triade trat der androgyne Aton in die Welt –  mit seinem Sohn Echnaton und seiner Tochter Nofretete.

Das klingt ja fast christlich ...

Ja, zweifelsohne. Aber letztlich ist Echnaton für die damalige Zeit viel zu weit gegangen. Es war eine Religion, die dem Volk übergestülpt, die von oben verordnet wurde. Für die Menschen war sie zu abstrakt. Und es ist bezeichnend, dass sie sich nach dem Tod des Pharao nicht mehr lange halten konnte. Nur wenige Jahre später wurde der Herrschersitz von Achet-Aton, dem heutigen Amarna, nach Memphis verlegt.

Sie haben auch neue Erkenntnisse zur Familie des Königspaares?

Nach meinen Untersuchungen ist die Herkunft Nofretetes jetzt zweifelsfrei geklärt. Sie ist die "Younger Lady" aus dem Grab Nr. 35 im Tal der Könige. Als Tochter von König Aja und seiner Frau Teje heiratete sie mit etwa 16 Jahren den späteren Echnaton. Sie gebar ihm sechs Töchter und einen Sohn, den inzwischen legendären Kindkönig Tutanchamun.

Die ägyptische Antikenverwaltung hat vor zwei Jahren nach einer  groß angelegten DNA-Analyse behauptet, die Eltern von Tutanchamun seien Geschwister. Wie kommen Sie zu dem anderen Ergebnis?

Ich habe das genetische Material nochmal neu auf den Prüfstand gestellt. Mit Hilfe des Dresdner Bio-Informatikers Frank Goetz und einer neuen Software konnten wir Aja und Nofretete als Vater und Tochter identifizieren. Und wenn Nofretete die Mutter von Tutanchamun ist, muss Echnaton der Vater sein. Es ist kaum anzunehmen, dass Nofretete fremd gegangen ist.

Hermann A. Schlögl, Nofretete. Die Wahrheit über die schöne Königin, C.H.Beck Verlag München 2012, 128 Seiten, 8,95 Euro
 

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