Abschied vom "Heppel & Ettlich": Eine glückliche Generation

München - Schwabing ist sein Schicksal. Zusammen mit Henny Heppel betrieb er dort nacheinander mehrere Kneipen, die alle Kultstatus erwarben. In diesem Herbst wird Wolfgang Ettlich in der Clemensstraße sein neuestes Lokal "Neukölln" eröffnen. Heimat und Herkunft finden dort zusammen. Zuvor gibt er das Heppel & Ettlich in der Feilitzschstraße auf. Mit dem Festival "...und tschüss!" verabschieden sich im Juli Freunde und Wegbegleiter.
Der 71-Jährige ist eine Institution im Kulturleben des berühmtesten Stadtteils von München. Es wurmt ihn, dass die Landeshauptstadt seine Verdienste um die Kleinkunst offenbar gar nicht bemerkt habe. Aber Ettlich ist auch Dokumentarfilmer und erhielt den Grimme-Preis sowie den Deutschen Filmpreis. Zu seinen bisher 70 Produktionen gehören eine Langzeitdokumentation über den Bau der Allianz-Arena oder eine Reise durch die ehemalige DDR 25 Jahre nach der Wiedervereinigung. Über die alten Zeiten sprach die AZ mit ihm.
AZ: Herr Ettlich, wie kamen Henny Heppel und Wolle Ettlich zusammen?
Wolfgang Ettlich: Wir waren fünf Freunde in Berlin, die alle zusammen bei Südstern 08 Fußball gespielt haben und die Mauer nicht mehr sehen konnten. Am 1. April 1968 zogen Henny, Henne, Lutze, Atze und ich in die Elisabethstraße. Ich wollte Abitur machen, um zu beweisen, dass auch Arbeiterkinder studieren können. Das war meine Antriebskraft. Abends um neun nach der Abendschule habe ich Platten aufgelegt. Der Wirt fragte mich, ob ich nicht das Jennerwein aufmachen wollte. Ich bin dann in die WG und fragte, wer mitmachen will. Alle sagten: "Kapitalismus-Scheiße". Dann hat sich Henny gemeldet.
Wie führte der Weg vom Jennerwein zu Heppel & Ettlich?
Wir haben viel Bier verkauft und das Jennerwein war immer rappelvoll. Die ganzen Jusos waren mit Christian Ude da. Dann kam die Brauerei und sagte: Wollt ihr nicht den Fäustle-Garten in der Kaiserstraße haben? Der ist so leer. 1976 haben wir das Ding aufgemacht und alle sind ins Heppel & Ettlich gekommen: Journalisten, Linke und die ganzen Filmemacher, unter anderen Doris Dörrie.
So wird man vom Wirt zum Filmer.
Es war plötzlich alles voller Medienmenschen. Günther Jauch hat bei uns seine Frau kennengelernt. Lutze, einer von uns Berlinern, hatte einen Sohn, der nicht wusste, ob er Punker oder Bhagwan werden will. Da hatte ich die Idee, ihn eine Weile in unserer Wohnung zu beobachten. Monika Aspacher war damals Cutter-Assistentin und hat den 16-Millimeter-Film geschnitten. Als "Irgendwie Power machen" fertig war, bin ich mit meinen Rollen zum WDR nach Köln gefahren. Nachdem der Redakteur den Film angesehen hatte, fragte er nur: "Wie viel wollen Sie haben?" Premiere hatte der Film auf der Berlinale.
Sind Sie ein Filmemacher mit Kleinkunstkneipe oder Kleinkunstkneipier mit Filmfirma?
Ich bin immer noch kein Journalisten. Aber ich konnte immer gut quatschen und hatte das Glück, dass ich die Kameraleute und die Redaktionen interessieren konnte. Ein Exposé habe ich nie geschrieben. Ich bin einfach neugierig. Im Theater bin ich auch nie nach den Namen gegangen. Aber bei uns haben die Missfits gespielt oder Helge Schneider. Dieter Nuhr stand bei uns auf der Bühne, als er noch unbekannt war, und Luise Kinseher hat bei uns angefangen.
Einer Ihrer jüngeren Filme dokumentiert Ihre eigene Clique aus Neukölln und hat den Titel "Bist du Beatles oder Stones?". Wie ist das bei Ihnen: Beatles oder Stones?
Wir waren alle Beatles-Fans. Das war die Zeit der Pubertät. Als wir ein bisschen politischer wurden, gingen wir alle zu den Stones rüber.
Wie war damals das Lebensgefühl?
Wir sind eine glückliche Generation. Es war alles offen, letztendlich auch für die Eltern. Es gab nicht diesen Existenzdruck, sondern eine selbstverständliche Freiheit. Jeder konnte sich entwickeln und neugierig sein. Heute muss man mit 25 seinen Lebensjob haben.
Fußball war immer ein Thema für Sie. Analog zu den Stones und den Beatles die Frage: Bayern-Fan oder Sechziger?
Natürlich Sechzig. In erster Linie bin ich für den Ruhrpott und immer ein bisschen Anhänger von Tasmania Berlin gewesen. So etwas wie Hoeneß und Steuerhinterziehung geht gar nicht. Ich war immer gegen die Kapitalisten. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass bei den Einkommen ein Cut gemacht werden muss. Spieler, die so viel Geld verdienen, sollten die Hälfte ihrer Einnahmen an soziale Einrichtungen spenden.