50 Jahre Galerie Tanit: Verdienste mit Beharrlichkeit

Zwischen Orient und Okzident: Naila Kettaneh-Kunigk feiert das 50-jährige Bestehen ihrer Münchner Galerie Tanit.
von  Roberta De Righi
In der Galerie Tanit wird aktuell die Ausstellung "Paper Trail" gezeigt.
In der Galerie Tanit wird aktuell die Ausstellung "Paper Trail" gezeigt. © Sami Jo Naim

München - Sie ist eine schillernde Kosmopolitin, pendelnd zwischen Orient und Okzident, deren bewegtes Leben jeden Rahmen sprengt: Die Münchner Galeristin Naila Kettaneh-Kunigk. Geboren 1944 im Libanon, zog sie fürs Politologie-Studium nach Paris, verliebte sich in München, ging zum Sprachkurs nach Berlin - und zurück an die Isar, wo sie seit 1972 mit ihrer Galerie Tanit präsent ist.

50 Jahre Beständigkeit: "Paper Trail" in der Galerie Tanit

Jetzt feiert sie 50-jähriges Jubiläum – was nicht viele aus dem Kollegenkreis schaffen. So wurde der Name der Galerie zur self-fulfilling prophecy: Tanit, von den Phöniziern als Gottheit personifiziert, steht für Fruchtbarkeit und Kontinuität. Einen Überblick über 50 Jahre Tanit gibt jetzt die aktuelle Ausstellung "Paper Trail", die mehr als 50 Arbeiten auf Papier von fast allen KünstlerInnen präsentiert, mit denen die Galeristin im Lauf der Zeit kooperierte - eine staunenswerte Mischung über Genres und Stile, Zeiten und Kontinente hinweg, darunter viele Werke von Frauen. Da ist eine Grafik von Simone Fattal, eigentlich Bildhauerin und langjährige Lebensgefährtin von Etel Adnan ebenso zu bewundern wie die zarten Landschaften von Sonia Braas oder die abstrakt-barocken Schleifenbilder von Mojé Assefjah.

Naila Kettaneh-Kunigk
Naila Kettaneh-Kunigk © Sami Jo Naim

Der Vater ihres Mannes Stefan Kunigk hatte die jungen Eltern einst zu sich nach München gerufen, und weil sie sich hier auf Cocktailpartys langweilte, schlug der Gatte vor, ihrer Begeisterung für Kunst zu vertrauen und eine Galerie aufmachen. Anfangs logierte man in der Sternstraße, später im Gartenhäuschen hinter dem alten Schumann's. 1997 bis 2021 lag die Galerie im Erdgeschoss der Maximilianstraße 45.

Erst Studienfreunde, dann KunstsammlerInnen

Es begann mit Arte Povera und Minimal Art, Künstler wie Mimmo Paladino und Donald Judd - dazwischen blitzte der Humor von Urs Lüthi auf. Kennengelernt hatte man sich in Berlin als kunst-affine Kommilitonen, daraus wurde eine Clique, Michelangelo Pistoletto hatte anfangs nur seine Kochkunst eingebracht – später auch seine Kunst, etwa die "Venus in Lumpen".

Familiärer Schicksalsschlag: Trotzdem geht es weiter

Die Zeiten waren glanzvoll, aber keineswegs märchenhaft. 1992 verunglückte ihr Ehemann und Vater der drei Kinder tragisch, während eines Spaziergangs in stürmischer Nacht. Eine Welt brach zusammen. Mit dem Mut einer Löwin und der Unterstützung langjähriger Mitstreiter wie ihres späteren Partners Walther Mollier und Michael Ionesco setzte sie die Galeriearbeit fort.

Sie nahm mehr und mehr Künstler aus dem arabischen Kulturraum in ihr Portfolio auf. Darum war es naheliegend, 2007 eine Dépendance in Beirut zu eröffnen: Nail Kunigk bezog im Stadtteil Mar Mikhael eine weiträumige Galerie und verlegte bald auch ihren Lebensmittelpunkt dorthin.

Am 4. August 2020, als ihre Münchner Galerie wegen Corona seit fast einem halben Jahr im Dämmerschlaf lag, explodierte in Beirut, im kaum 300 Meter entfernten Hafen, nach einem Brand dort gelagertes Ammoniumnitrat. Die Galerie wurde zerstört, Naila Kunigk und ihre junges Mitarbeiter-Team überlebten mit Glück – teils schwer verletzt.

Mit dem Mut einer Löwin

Wieder war der Mut einer Löwin nötig, und Aufgeben keine Option. Sie ließ alles wieder aufbauen, eröffnete 2021 neu mit einer Schau junger libanesischer KünstlerInnen unter dem vielsagenden Titel "Togetherness" und feierte jüngst mit "Crossed Perspectives" ihr 15-jähriges Jubiläum. Die levantinische Umtriebigkeit der Galeristin mag manchmal anstrengend sein, ihre Energie ist beeindruckend – und ihre Großherzigkeit anrührend.

Nur niemals aufgeben

Die Münchner Maximilianstraße als Kunstmeile hatte Naila Kunigk indessen zwischen Armani und Vuitton nobel untergehen sehen. 2021, im zweiten Pandemie-Jahr, strich sie schließlich dort Segel und zog weiter in das stille, helle Rückgebäude in der Reisingerstraße nahe am Sendlinger Tor. Ein weiterer Kraftakt, aber ans Aufhören denkt sie nicht. Der Plan ist, dass bald auch Sohn Max ins Galeriegeschäft einsteigt. Und in München dafür sorgen wird, dass die Galerie Tanit ihrem Namen weiterhin Ehre macht. 

Bis 23. Dezember, Galerie Tanit (Reisingerstraße 6/Rgb), Dienstag bis Freitag 11 bis 18 Uhr.

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