Kulturveranstalter im Dialog: Feiern für die Freiheit
München - "Ich spüre Verdruss", sagte Bayerns neuer Kunstminister in der Muffathalle. Der wurde Markus Blume davor eine halbe Stunde lang von Münchner Kulturveranstaltern höflich um die Ohren gehauen: die fehlende Planungssicherheit in der Pandemie, komplizierte Regeln und die Ungleichbehandlung von Kultur und Gastronomie.
Verband Münchner Kulturveranstalter lädt zu "100 Prozent Offen?!" ein
Letztere erklärte ein Teilnehmer noch einmal anhand der mit einem Viertel der Plätze besetzten Kammerspiele-Premiere von "Heldenplatz" im Dezember, während im Restaurant hinter dem Theater auf allen Plätzen gegessen und getrunken wurde.
Der Verband Münchner Kulturveranstalter bringt die ganze Breite des kulturellen Lebens zusammen - vom Klassik-Veranstalter über Hallenbetreiber bis zu den Clubs. Eigentlich hätte bei der Veranstaltung "100 Prozent Offen?!" über ein Ende der Beschränkungen debattiert werden sollen. Die wurden inzwischen von der Bundesregierung beschlossen, wobei Details allerdings Ländersache bleiben.
Hin und wieder schimmerte der traditionelle Groll der Privaten auf die sogenannte Hochkultur mit ihrer öffentlich finanzierten Sicherheit durch. Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden und der städtische Kulturreferent Anton Biebl wiesen allerdings darauf hin, dass sie in ihrem Etat Mittel von den Institutionen in Richtung Freie Szene umgeschichtet hätten, um die kulturelle Vielfalt in der Stadt zu erhalten.
Markus Blume nahm den Verdruss zur Kenntnis und lud - wie schon sein Vorgänger Bernd Sibler - zum Dialog ein. Er wolle sich in Zukunft für "faire Regeln" und eine Gleichbehandlung einsetzen. Laut dem Beschluss des Bundes sollen ab 20. März angesichts der niedrigen Krankenhausbelegung für Geimpfte und Genesene fast alle Beschränkungen bei Veranstaltungen fallen - einschließlich der Maskenpflicht. Nur ein Basisschutz bleibe erhalten, der Rest falle in die Selbstverantwortung jedes Einzelnen, der weiter eine Maske tragen dürfe. Allerdings steht noch eine Regelung für Hotspots aus, deren Fehlen die Planungssicherheit weiterhin beeinträchtigt.
Kulturinteressierte zwischen Club und Klassik sind in der Regel geimpft
Kulturveranstalter und Kulturpolitiker betonten den guten Luftaustausch in den Spielstätten. Christian Waggershauser verwies auf die Lüftungsklappen im Boden der Muffathalle, was Katrin Habenschaden zum Anlass nahm, ihren Mantel aus der Garderobe zu holen.
Das Podium war sich darüber einig, dass 71 Prozent Erstgeimpfte und nur knapp 46 Prozent Geboosterte zu wenig sind. Die Vertreter der Stadt verwiesen auf die Impftram und andere Angebote, die Veranstalter auf erfolgreiche Aktionen vor den Clubs. Allerdings würden bei Kontrollen kaum Tests vorgezeigt: Kulturinteressierte zwischen Club und Klassik sind in der Regel geimpft. Dass man auch den Rest bis Herbst noch irgendwie erreichen müsse, darüber herrscht Einigkeit.
Blume forderte auf, den Blick auf die Zukunft zu richten und nicht unvorbereitet in den Herbst zu gehen. Da gaben ihm die Veranstalter einige Hausaufgaben mit: Die Kommunikation zwischen Staat und den Kommunen verlaufe zäh, und teilweise seien sich Juristen uneins über die Auslegung der Corona-Vorschriften. Darüber gehe jedes Mal viel Zeit verloren, und Zeit ist nicht nur bei Veranstaltern Geld.
Fließen die Fördergelder in Bayern im Vergleich zu Berlin eher zäh?
Die Hilfen für Spielstätten wurden von den Veranstaltern zwar gelobt, Kritik gab es für die bürokratische Umsetzung. Die Fördergelder flössen in Bayern im Vergleich zu Berlin eher zäh, teilweise geht die Angst vor Rückforderungen und endlosen juristischen Auseinandersetzungen um. Nepomuk Schessl (Münchenmusik) berichtete, dass Berlin zugesagte Summen schneller auszahle als Bayern. Das wollte Blume nicht auf sich sitzenlassen und versprach Abhilfe.
Konsens herrschte darüber, dass es nun gelte, das Vertrauen des Publikums wiederzugewinnen, schließlich habe die Politik zwei Jahre suggeriert, der Besuch vor Theatern, Hallen und Clubs sei riskant.
Katrin Habenschaden betonte abschließend, sie könne zwar verstehen, dass dem einen oder anderen derzeit angesichts der Weltlage nicht zum Feiern zumute sei. Putins Angriff auf die Ukraine richte sich aber auch gegen die westliche Lebensweise. So gesehen könnte Tanzen im Club in diesem Frühjahr und Sommer auch ein politischer Akt werden, der Freiheit demonstriert.