Küss die Hand, gnä Frau! Der kleine Festspiel-Service
In Salzburg regiert der Glamour. Wer nicht investiert, macht auf dem Laufsteg der Schönen und Reichen schnell eine schlechte Figur. Wer nach Bayreuth geht, muss hart im Nehmen sein.
Von Christa Sigg
Bayreuth und Salzburg – die wichtigsten Opernfestspiele sind so verschieden wie Würstl und Jakobsmuschel-Parfait. Außerdem gibt’s an der Salzach viel mehr als Oper. Hier zählen Glamour und ganz große Namen. Wer auf diesem Laufsteg eine halbwegs gute Figur machen will, muss sich anstrengen – und investieren. Wir verraten, wie Sie zum kleinen Hochstapler, zum aufgeblasenen Soufflé, ach, zu Salzburger Nockerln werden.
Voraussetzung: Lust auf Neugier und Klatsch.
Anreise: Möglichst mit Privatchauffeur.
Begrüßung: Bussi!, „Küss die Hand, gnä Frau!“.
Vorbereitung: Nicht nötig, es gibt Übertitel.
Dresscode: Overstatement, möglichst glamourös und teuer. Auffallen ist ein Muss – gerne durch kräftige Farben, Stardesign von Dolce bis Prada, und wenn’s noch geht: Manolos. Aber auf keinen Fall einknicken! Edeltracht – immer gut.
Make-up: Auffallend, aber vom Profi gespachtelt.
Accessoires: Brillis, Klunker, Rolex aufwärts, Tasche vom Stardesigner.
Erfrischung: Prickelnder Champagner, wer auf Jung macht: Spritz.
Verpflegung: Bloß nicht lumpen lassen: Alles, was gut und teuer ist. Und das Beste kommt sowieso danach.
Kommt gut: Smalltalk mit bekannten Gesichtern. Sie kennen keins? Einfach dreist daneben stellen. Geht leichter: Exaltiertes Auftreten, Schmäh und Sprüche wie „Was die (Bianca) Jagger wohl diesmal wieder verliert?“, „Ach, beim Grafen (Johannes Graf Walderdorff, ehemaliger Besitzer des „Goldenen Hirschen“) war man halt aufgehoben.
Bloß nicht: Schlecht gekleidet sein – wenn’s nicht die offenkundige Idee eines Stardesigners ist, der Duft von Mottenkugeln, Sprüche wie: „Mozart ist doch so süßlich“, „Die Karten sind zu teuer.“ Besser: „Ach, ich weiß gar nicht, was das wieder gekostet hat!“
Den Kenner raushängen lassen: „Die Kessel macht das wieder ganz hübsch, a liabs Pupperl“, „Der Simonischek hat ja immer noch an gewissen Sex“, „Den Händel hob i mir gschenkt, wenn Oper, dann Mozart!, „Aber die (Christine) Schäfer sollte man sich schon gönnen“, „Langsam gewöhn ich mich an den Harnoncourt. Nach Karajan war das schon eine Plag!“, „Die Dasch („Armida“) lass ich heuer aus, die hab i scho gsehn“, „Mei, ohne die Netrebko macht Oper koan Spaß“. Und noch ein Scherzerl: „Der Muti könnt sofort an Paten spieln“.
Wenn’s brenzlig wird, Ihre Hochstapelei entlarvt werden könnte: Das GoldVish-Handy zücken und: „Ich muss noch meinem Personal Trainer (wenn Sie sportlich aussehen, dem Golf- oder Polocoach) für morgen absagen“, „Huch, mir wird a bisserl schwindlig, dieser Spritz!“.
Unterkunft: Natürlich im möglichst guten Hotel, am besten gleich im Schlosshotel Fuschl am Fuschlsee.
Hojotoho!
Wer nach Bayreuth geht, muss hart im Nehmen sein und die richtigen Sprüche kennen – dafür reicht auf den Rängen Sparkassenschalter-Chic.
Wagner-Kult ist nicht Jedermanns Sache. Eher ein Fall für Eingeweihte, Eingeschworene und ausdauernde Veteranen mit Sinn für des Meisters Vermächtnis. Und, Vorsicht, das Publikum auf dem Grünen Hügel ist überdurchschnittlich kundig. Wer da mithalten möchte, muss sich schon ranhalten. Wir verraten, wie Sie im Schnellverfahren zum Bayreuth-Blender werden.
Falls Sie überhaupt noch an eine Schwarzmarkt-Karte kommen. Voraussetzung: Ausdauer und Leidensbereitschaft – in jeder Hinsicht.
Anreise: Unbedingt den Hügel hinauf pilgern, auch ein Gehstock ist keine Entschuldigung. Ansonsten parkt man im Pulk auf der Wiese.
Begrüßung: Hojotoho! (rufen sich echte Walküren zu)
Vorbereitung: Den Text gut lesen, Stabreim-Passagen merken, CDs hören. Der Pianist Stefan Mikisch gibt am Tag der Vorstellung launige Einführungsmatineen im Evangelischen Gemeindehaus.
Dresscode: Gediegenes Understatement, also schlicht und eher unauffällig, gerne in Schwarz. Auf den Rängen genügt Sparkassenschalter-Chic.
Make-up: Was ist das?
Accessoires: Ein abgegriffenes altes Textbuch – möglichst antiquarisch („vom Großvater geerbt“), beim „Tristan“ Herztropfen, Stützstrümpfe, Stofftaschentücher. Erfrischung: Eine Runde durchs Kneippbad hinterm Festspielhaus treten.
Verpflegung: Würstl und Bier, empfindsame Gemüter gönnen sich das lausige, aber teure Selters im Festspielrestaurant. Die einstündige Pause lässt aber auch Zeit für ein umfangreiches Mahl – dann steigt die Schnarchgefahr gefährlich an.
Kommt gut: Übers Regietheater lästern, trotzdem vom „Jahrhundertring“ schwärmen, die Pause gemächlichen Schritts im Park flanieren. Sich von Freunden mit einem Picknick überraschen lassen. Bloß nicht: Sätze wie „Wagner ist einfach zu schwer, zu lang, zu laut. . .“, „Ich geh ins gleiche Nagelstudiowie Katharina“, „Die Kathi und der Thielemann wären doch ein süßes Paar!“, „Dauert’s noch lang?“ Den Kenner raushängen lassen: „Der Chor ist mal wieder brillant!“, „Die hohen Streicher sind noch nicht in der Balance“. Beim „Ring“: „Thielemann steigert das wieder mit unglaublichem Sinn für die ganze Tetralogie“. Wenn das Horn nicht völlig versagt: „Ach, die Bayreuther Bläser!“. Wenn Sie auch nur ein einziges Wort verstanden haben: „Sänger X hat ja eine tolle Diktion“. „Der Boulez sollte mal wieder dirigieren!“ Wenn’s brenzlig wird, Sie also als Hochstapler entlarvt werden könnten: „Ich muss mich auf den nächsten Aufzug (niemals Akt!) vorbereiten.“ Unterkunft: Auch gut situierte Festspielgäste steigen gerne privat ab. Oder in einer schlichten, gut geführten Pension im grünen Umland. Es empfehlen sich so knackige Orte wie Heinersreuth, Eckersdorf oder das schrapplig-pittoreske Bad Berneck. Nur keine Ablenkung vom Werk, Wagner erfordert absolute Konzentration!
cig
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