Künstler-Demo am Samstag in München: Söders Totalversagen

München - Die missglückte Künstlersoforthilfe ist Ende Oktober ausgelaufen. Bei kulturellen Veranstaltungen gilt - abgesehen vom Probebetrieb im Nationaltheater, dem Gasteig und der Nürnberger Meistersingerhalle - nach wie vor die unwirtschaftliche Obergrenze von 200 Besuchern, weil die Politik sich nicht auf bestehende Hygienekonzepte einlassen will. Für freiberufliche Schauspieler, Sänger, Instrumentalisten und andere Beschäftigte im Veranstaltungsbereich ist die finanzielle (und mentale) Lage nach wie vor prekär.
Prekäre Lage in Corona-Zeiten: Künstler-Demo in München
Aus diesem Grund ruft die Initiative "Aufstehen für Kultur" um die Bratschistin Veronika Stross am Samstag zu einer Demonstration auf, die das Kreisverwaltungsreferat vom Odeonsplatz auf den Königsplatz verlegt hat. Die Initiatorin und ihre Mitstreiter distanzieren sich deutlich von den Corona-Leugnern. Das betonten auf der Pressekonferenz im Literaturhaus am Salvatorplatz sowohl Stoss wie auch ihre Mitstreiter Roland Hefter (Musiker und SPD-Stadtrat), der Musiker Michael Rupprecht und der Fotograf Tobias Melle, der durch seine "Sinfonien in Bildern" bekannt geworden ist.
Starre und praxisfremde Regelung der Staatsregierung
Melle hat für das Beethoven-Jahr eine "Pastorale in Bildern" vorbereitet. Fast alle Termine sind weggebrochen. Eine Aufführung seines Projekts findet nun mit den Hofer Symphonikern in der dortigen Freiheitshalle statt. Das Konzert ist ein typisches Beispiel für die starre und praxisfremde Regelung der Staatsregierung: Nur 200 Besucher dürfen in einen Saal, der bis zu 6000 Menschen fasst und auch bestuhlt noch über 3.000 Plätze hat.
Hefter spricht von einem "Totalversagen" Söders
Hefter betonte, dass er als Stadtrat auch nichts machen könne: Im Gesundheitsbereich dominiere die Staatsregierung. Er hat seit Mitte März 120 Konzerte verloren und lebt von Rücklagen. Hefter spricht von einem "Totalversagen" des Ministerpräsidenten Markus Söder im Kulturbereich, weil ihn das einfach nicht interessiere. Alle Initiatioren erwähnten lobend die Initiativen von Grünen, SPD und FDP im Landtag, die allerdings durchwegs von der Regierungsmehrheit abgelehnt wurden. Kunstminister Bernd Sibler und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wüssten zwar um die Nöte der Veranstaltungswirtschaft, sie würden aber ständig im Kabinett zurückgehalten.
Platzbelegung im Schachbrettmuster eine Möglichkeit?
Der Cellist Michael Rupprecht mahnte eine bessere Kommunikation zwischen der Politik und den Betroffenen an. Er verlangt, das Kurzarbeitergeld auf den freiberuflichen Kulturbereich auszuweiten. Der Staat müsse die frei bleibenden Plätze aufkaufen, um Veranstaltungen rentabel zu machen.
Der Konzertveranstalter Andreas Schessl (Münchenmusik) sprach von einem "Standortnachteil" für sich und seine Kollegen in Bayern. Er wünscht sich weniger kurzfristige politische Entscheidungen und mehr Planungssicherheit. Er hält eine Platzbelegung im Schachbrettmuster nach dem Vorbild der Salzburger Festspiele für vertretbar. Schessl verlangte außerdem, dass Ergebnisse des wissenschaftlich begleiteten Probebetriebs im Gasteig und der Staatsoper schnell vorgelegt würden. Er habe den Verdacht, dass die Studie vor allem benutzt werde, um auf Zeit zu spielen.
Veranstaltungsbranche ist eben doch systemrelevant
Die Initiatoren betonten die wirtschaftliche Bedeutung der Veranstaltungsbranche. Sie sei umsatzstärker wie die Chemieindustrie, werde aber von der Politik vernachlässigt. Schessl betonte, dass Musik einem dabei helfen könne, seelisch stabil durch die dunkle Jahreszeit zu kommen: Nicht umsonst ist das Weihnachtsgeschäft in der Branche von größter Bedeutung.
Auch Tanja Graf, die Leiterin des Münchner Literaturhauses, beteiligte sich als Gastgeberin an der Diskussion: Die Verlage würden zwar davon profitieren, dass im Moment mehr gelesen würde. Autoren würden aber primär von Lesungen leben, die im Moment nicht stattfinden können. Das Literaturhaus könne seinen freiberuflichen Mitarbeiter im Veranstaltungsbereich nicht beschäftigen, aus Kostengründen würde das feste Personal derzeit abwechselnd an der Kasse der Thomas-Mann-Ausstellung "Democracy will win!" sitzen.
Initiatoren: Theater und Konzersäle sind sicher
Die Initiatoren betonten, dass es keinen bekannten Fall einer Ansteckung bei einer kulturellen Veranstaltung gebe. Theater und Konzertsäle seien sicher. Damit verbanden die sie Aufforderung an die Politik, nicht weiter die Angst vor Spielstätten zu schüren und den Kulturbereich nicht schlechter wie den öffentlichen Nahverkehr, die Luftfahrt oder die Gastronomie zu behandeln.
Die Veranstalter kommen allesamt aus dem Musikbereich. Man habe auch freie Theater eingeladen, allerdings ohne Resonanz. Am Königsplatz sprechen unter anderem die ehemaligen Kunstminister Hans Maier und Wolfgang Heubisch, der ehemalige Kulturreferent und Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin, der Tenor Julian Prégardien sowie Vertreter der Veranstaltungsbranche. Gerhard Polt wird die Demonstranten mit einer Videobotschaft begrüßen.
"Aufstehen für Kultur", am Samstag, 24. Oktober um 12 Uhr auf dem Königsplatz. Es gilt Maskenpflicht und die Abstandsregel von 1,5 Meter für alle Besucher.