Kraftgeschmetter aus dem Kino

Man muss es leider sagen: Rolando Villazón ist mit seiner neuen Filmhit-CD „La strada” auf dem Tiefpunkt gelandet. Fragt sich nur, wann der mexikanische Tenor endlich die Notbremse zieht
von  Robert Braunmüller

Es ist eine Ode auf den Lebenswillen und die Liebe. Die todkranke Edith Piaf sang „Non, je ne regrette rien” 1960 auf dem Höhepunkt eines Comeback-Konzerts. Ein Mensch, so das Chanson, kann vernichtet, aber nicht besiegt werden. Egal, was auch immer im Leben passiert, die Hoffnung kapituliert niemals.

„Nein, ich bereue nichts” wurde Hymne der Fremdenlegion, als sie sich 1962 geschlagen aus Algerien zurückziehen musste. Dieser Inbegriff eines französischen Chansons hat Deutungen von Duke Ellington, Johnny Hallyday oder Patricia Kaas überstanden. Rolando Villazón verwandelt es nun in seinem Album „La strada” in eine kitschige Schmuseballade, deren lächerliches Arrangement den unerbittlichen Schicksalsrhythmus des Originals in einem lauwarmen Streicherschaumbad ertränkt.

Dabei könnte Villazón wie die Piaf mittlerweile einiges von Krisen und Comebacks erzählen. Von seinen letzten Auftritten als Mozart-Sänger in Zürich und Baden-Baden vermelden Zeugen glanzlose Höhen, fehlende Schattierungen und eine schwankende Tagesform. Im Herbst will er in der heiklen Titelrolle von „Hoffmanns Erzählungen” auf der Bühne des Nationaltheaters stehen: Ein Premierentermin, dem man eher mit Bangen als Freude entgegensieht.

Der Mexikaner hatte einmal die schönste Tenorstimme seiner Generation. Aber er überanstrengte seine lyrische Stimme zu früh mit dramatischen Rollen wie dem Don José aus Bizets „Carmen” und Offenbachs Hoffmann. Gut zwei Jahre nun schon währt das Formtief, das auch eine Stimmband-Operation nicht heilen konnte.

Der durch die Platten geschürte Erwartungsdruck macht die Sache nicht besser. Auch „La strada” dreht diesen Teufelskreis weiter. Villazón schmettert dort Lieder aus Kinofilmen mit einer Kraft, als sei die Krise nur ein Gerücht. Sollte er das Programm im Konzert singen, wird es so schief gehen wie bei der vorigen „Mexico!”-CD: Bei einem traurigen Auftritt in der Berliner Philharmonie wurde er im vergangenen November von den Zuschauern aufgefordert, das Mikrofon zu verwenden, weil man ihn nicht hören konnte.

„La strada” ermüdet durch lauter ähnliche Balladen im langsamen Tempo, die der Sänger über einen Leisten schlägt. Michel Legrands „The Windmills of Your Mind” aus dem Film „The Thomas Crown Affair” entstellt er so wie das Piaf-Chanson: Der Original-Interpret Noel Harrison spricht das Lied mehr, als es zu singen. Dieser ganz besondere Reiz der Unterkühlung geht verloren, wenn Villazón macht, was er am besten kann und den lakonischen Song mit opernhafter Leidenschaft auflädt.

Genug davon! Diese ärgerliche Platte ist nur für eingefleischte Villazónisten ein Genuss. Und weil das Vorurteil im Raum steht, Musikkritiker würden Crossover in jedem Fall verachten, hier ein Tipp: Erwin Schrotts „Rojotango” mit Musik aus Argentinien und Uruguay funktioniert, weil der dunkle Bassbariton von Mr. Netrebko zur Melancholie des Tango passt. Diese Platte erzählt vom südamerikanischen Lebensgefühl. Sie ist authentisch, wo es Villazón nur auf den Geldbeutel seiner Fans abgesehen hat.

Rolando Villazóns „La strada” bei der Deutschen Grammophon, Erwin Schrotts „Rojotango” bei Decca

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