Kostümierte Kunstkörper bei "Saltimbanco"
Das Zirkusunternehmen Cirque du Soleil zeigt in der Traditions-Show "Saltimbanco" akrobatische Perfektion und zauberhafte Kostüme. Auf eine dramaturgische Einheit verzichtet es dabei
Drei Narren auf einer wild hin und her schwingenden Bretterkonstruktion, eine aufs Nötigste reduzierte Jahrmarktschiffschaukel. Wenn der höchste Punkt erreicht ist, springt einer ab, das Narrenschiff spuckt einen saltoschlagenden Artisten in die Arena. Der landet, wenn alles gut geht, auf drei anderen Menschen, ein Turm aus drei Körpern wächst noch um einen weiteren nach oben.
"Russian Swing" heisst diese Nummer, mit der die "Saltimbanco"-Truppe des Cirque du Soleil nach der Pause noch mal richtig in die Vollen geht. Die akrobatische Brillanz und die bedingungslos-perfekte Teamarbeit der Artisten wird hier besonders deutlich. Jeder muss ständig auf jeden reagieren, sonst klappt es nicht.
In der Show, die mit kleineren Modifikationen und Unterbrechungen schon seit 18 Jahren um die Welt tourt, vereint das kanadische Unternehmen verschiedene Arten von Zirkus-Performance: Da ist auf der einen Seite der althergebrachte, fast ein bisschen schwerfällig anmutende Gewichtheber-Stil, der allein auf Kraft, Körperbeherrschung und recht traditionelle Kostüme setzt.
Ironische Brechung
Schön ist dabei, dass ein blau-gelbes Pausenclown-Pärchen genau diesen Stil sympathisch humoristisch auf die Schippe nimmt: Am Boden turnen die Beiden ziemlich wackelig einfache Nummern vor. Wie um das zu kompensieren, schreien sie zum Abschluss jeder Stellung laut, kräftig und theatralisch: "Ha!"
Gleichzeitig ist in "Saltimbanco" aber noch etwas Sphärisches, das über die Kraftdemonstration, die blosse Körperlichkeit der Aktion hinaus geht. Die Zwillingsmädchen auf dem Trapez beispielsweise demonstrieren zwar einerseits akrobatische Perfektion und, wie es sich bei Eineiigen anbietet, die klassische Schönheit der Symmetrie. Auf der anderen Seite ist da jedoch noch etwas Fremdes, etwas, das den menschlichen Körper in seiner Erscheinung in Frage stellt. Zu Beginn der Nummer etwa sind die Beiden für den Zuschauer nur ein in sich verschlungener Haufen von Gliedmassen, aus dem erst nach und nach zwei grazile Menschen auferstehen.
Ähnlich körperliches Befremden ruft die Schlussnummer "Bungees" hervor: Die weissen menschlichen Körper, die an Gummiseilen schwerelos wie Astronauten durch die Arena fliegen, werden in der Zuschauer-Wahrnehmung irgendwann selbst zu Puppen aus Gummi, so beeindruckend widerstandslos erscheinen die Bewegungen ihrer Glieder.
Immer wieder schafft die Show Momente, die verzaubern. Nicht zuletzt die opulenten und farbenfrohen Kostüme der Figuren, die zwischen den Akroabtik-Nummern auftreten, erzeugen kleine Wunderwelten. An anderen Stellen wieder drängt sich jedoch der Eindruck auf: Das hätte der Strassenkünstler aus der Fussgängerzone irgendwie auch hinbekommen. Nicht natürlich mit dieser Perfektion und derart aufwendiger Kostümzauberei. Diese Versatzstücke lassen "Saltimbanco" in seiner Gesamtheit doch zu einem beeindruckenden Abend werden, dem die fehlende dramaturgisch-thematische Einheit wenig Abbruch tut.
Katrin Kaiser
Olympiahalle, Dienstag, 7.9., bis Sonntag, 12.9., Karten im Vorverkauf: 45-80 Euro zzgl. Gebühr
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