Kopf aus, Wagner an

Kurz vor der Wagner-Flut im Jubiläumsjahr 2013 ruhen die Augen der Wagnerianer 2012 auf München. Andreas Kriegenburg inszeniert den „Ring“ an der Bayerischen Staatsoper und will dort aus Richard Wagners Mammutwerk ein psychologisches „feines Kammerspiel“ machen.  
Britta Schultejans |
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Vor drei Jahren habe er Wagner noch nicht einmal besonders gemocht. In den Klangwelten Händels fühle er sich eher zu Hause. Aber das sei gut für seine Arbeit, „dass wir nicht so gut zusammen passen“, sagt Regisseur Andreas Kriegenburg. Jetzt - kurz vor dem großen Jubiläumsjahr 2013 – bringt er Richard Wagners Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“ auf die Bühne der Bayerischen
Staatsoper. Premiere des ersten Teils „Das Rheingold“ ist am 4. Februar, und was Kriegenburg da vorhat, dürfte Wagnerianer aufhorchen lassen.

„Wir versuchen sicher nicht, eine mit sich selber prahlerische Inszenierung des "Rings" zu machen. Derer gibt es genug“, sagt er. Stattdessen will er sich dem Erzähler Wagner widmen und seine Figuren zeigen, ohne sie mit Einordnungen oder gar Labels zu versehen. Wotan als Zuhälter, Industrieller oder General? „All diese Zuordnungen versuchen wir zu vermeiden.“

Wotan und Donner, Woglinde, Wellgunde und Floßhilde will er anders zeigen: „Sobald ich als Zuschauer Zuordnungen sehe und verstehe, habe ich große Schwierigkeiten, emotionale Nähe zu den Figuren aufzubauen. Wir versuchen, das zu unterlaufen, und wollen die Figuren in ihren psychologischen Details wahrnehmbar machen.“ Frei nach dem Motto: Kopf aus, Wagner an.

Wagner, so sagt Kriegenburg, habe mit dem „Ring“ auch ein psychologisches „feines Kammerspiel“ geschaffen. Als das will der Regisseur das Werk nun zeigen – mit einer Inszenierung, die auf einer zeitweise fast leeren Bühne alles andere als opulent ausfallen dürfte. „Wir wollen der Musik nicht mit einem visuellen Overkill begegnen, sondern Wagner sowohl als Tonkünstler als auch vor allem als Erzähler begreifen“, sagt Kriegenburg.

Das ist ein nicht ganz ungewagtes Unterfangen in einer Stadt wie München. Die Aufführung von Wagners „Ring“ dürfte für jedes Opernhaus der Welt eine große Sache sein. In München aber, wo der erste Teil der Tetralogie am 22. September 1869 uraufgeführt wurde, ist es etwas ganz besonderes.

Kriegenburgs „Ring“ ist der erste in München seit zehn Jahren. Und der Zyklus stand damals – im Jahr 2002 – unter keinem guten Stern. Regisseur Herbert Wernicke starb kurz nach der Premiere des „Rheingolds“, die „Walküre“-Inszenierung, für die sein Nachfolger Hans-Peter Lehmann Wernickes Konzept übernahm, wurde schnell verworfen. David Alden inszenierte die „Walküre“ neu und vollendete den Zyklus mit „Siegfried“ und „Götterdämmerung“. Der letzte Vorhang für diesen „Ring“ fiel 2006.

Generalmusikdirektor Kent Nagano, der zum ersten Mal bei einem kompletten, szenischen „Ring“ am Pult steht, sagt: „Es ist ein großes Thema für alle Musiker.“ Opernintendant Nikolaus Bachler spricht gar von einem „Blockbuster“ – das gilt auch für die Finanzen.

„Als Regisseur weiß ich ja genau, dass ich auch Erwartungen enttäuschen werde“, sagt Kriegenburg. „Ich versuche, dem ein anderes, überraschendes und sinnliches Erlebnis entgehen zu setzen. Das eine nehme ich weg, um für das andere Platz zu schaffen.“ Sein Plan, den er „radikal“ nennt: „Wir versuchen, so weit wie es möglich ist, uns zum Kern durchzuarbeiten.“ Geschichte statt Rezeptionsgeschichte heißt seine Strategie. Er versucht, auszublenden, wie der „Ring“ bislang auf die Bühne gebracht wurden.

Was er jetzt aufführen will, ist „ein szenisches Äquivalent auf der Bühne zu dem, was im Orchester passiert“. Wenn Wagner von einer Felslandschaft schreibt, will Kriegenburg eine zeigen – „und kein
Parkhaus“. Wenn Wagner von der Kröte schreibt, will Kriegenburg eine zeigen. Sein Publikum soll sagen: „Wie die Kröte war, das war überraschend.“

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