Konzerthaus im Werksviertel wird weiter geplant: "Ich glaub's nicht"

Der Landtag beschließt, dass die Planungen für das Konzerthaus im Werksviertel fortgeführt werden - trotz weiter steigender Kosten.
von  Ralf Müller, Robert Braumüller
Das geplante Konzerthaus im Werksviertel hinter dem Ostbahnhof, dessen Lichter im Hintergrund rechts leuchten. Der Entwurf für den Bau stammt vom Bregenzer Atelier der Architekten Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur-Sturm.
Das geplante Konzerthaus im Werksviertel hinter dem Ostbahnhof, dessen Lichter im Hintergrund rechts leuchten. Der Entwurf für den Bau stammt vom Bregenzer Atelier der Architekten Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur-Sturm. © Bloom images/Cukrowicz Nachbaur Architekten

München - Lange sprach die Staatsregierung von 150 und 300 Millionen Euro. 2016 sollte das Konzerthaus im Werksviertel 370 Millionen kosten. Am Donnerstag  gab der Haushaltsausschuss des Landtags grünes Licht für weitere Planungen. Ein Vertreter des Bauministeriums sprach von 580 Millionen, der SPD-Haushaltspolitiker Harald Güller errechnete 700 bis 750 Millionen Euro, der Münchener CSU-Parlamentarier Ernst Weidenbusch schloss nicht aus, dass die Endabrechnung an der Milliardengrenze kratzen und damit zehnstellig werden könnte.

Kostet die Konzerthalle fast eine Milliarde Euro?

Bei der Hamburger Elbphilharmonie stiegen die Kosten von 79 auf skandalöse 790 Millionen. Muss das sein? Die Stadt hat das neue Volkstheater zum Festpreis gebaut. Die fast fertige Interimsphilharmonie an der Hans-Preißinger-Straße, kostet nur 40 Millionen. Sie soll am 8. Oktober eröffnet werden und ersetzt die Gasteig-Philharmonie während der Generalsanierung des Kulturzentrums (Kostendeckel: 450 Millionen). Beim Innenleben gibt es trotzdem keine Abstriche: Für den Sound sorgt Yasuhisa Toyota, der Akustiker der Elbphilharmonie.

Die Isarphilharmonie, die sich ohne großen Aufwand in ein dauerhaftes Gebäude verwandeln ließe, war - wie üblich - im Landtag kein Thema. Sie fasst 1.800 Besucher, der Neubau im Werksviertel hat 100 Plätze mehr. Flexible Nebenräume, wie sie hinter dem Ostbahnhof gebaut werden, gibt es auf dem Gelände des Gasteig-Interims ebenfalls.

Aber seit Jahrzehnten laufen die Planungen für das vom verstorbenen Dirigenten Mariss Jansons und dem BR-Symphonierorchester angestoßene Konzerthausprojekt und die Gasteig-Sanierung beziehungslos nebeneinander her. Jeder reitet sein Steckenpferdchen und pflegt seine Eitelkeiten, an Synergien ist niemand interessiert, regelmäßig geäußerte Forderungen nach einem Gesamtkonzept verhallen so ungehört wie die Wünsche nach einer Verbesserung des Herkulessaals in der Residenz.

Auf die nahe liegende Frage, warum das BR-Symphonieorchester nach dem Abschluss der Gasteig-Sanierung nicht einfach die Isarphilharmonie übernimmt und einzelne Großwerke im sanierten Bau am Isarhochufer spielt, gibt es bisher nur die Antwort, das Interim sei eben nur ein Interim. Es genüge nicht den Ansprüchen an Weltklasse, Leuchtturmwirkung und internationalem Glamour, die Kunstminister Bernd Sibler auch gestern wieder im Landtag beschwor.

 Der staatliche Bau bleibt rundfunkpolitisch heikel

Hinzu käme der Beigeschmack einer Blamage. Denn das BR-Symphonieorchester hat erst Simon Rattle als designierten Chef für die Zeit nach 2023 gewonnen. Dabei spielte eine Rolle, dass der von dem Dirigenten gewünschte Konzertsaal für das London Symphony Orchestra nicht gebaut wird. Rattle sprach in einer Videobotschaft davon, dass die Welt auf München blicke. Er lobte das Projekt als "internationalen Knotenpunkt für innovative und qualitativ hochwertige Musikvermittlung".

Der große Saal.
Der große Saal. © Bloom images/Cukrowicz Nachbaur Architekten

Trotzdem bleibt der staatliche Bau rundfunkpolitisch heikel, auch wenn sich alle Beteiligten bemühen, die Verbindung des BR-Symphonieorchesters zum Neubau herunterzuspielen. Auch von Folgekosten und einem umfassenden Konzept der Bespielung ist vergleichsweise selten die Rede, und wenn, dann eher nebulös. Schon jetzt zahlt der Staat eine Erbpacht für das Baugelände an den Grundstücksbesitzer Werner Eckart, die laut dem ehemaligen Kultusminister Ludwig Spaenle 592.000 Euro jährlich beträgt.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass es in allen Landtagsfraktionen kritische Stimmen zu dem ehrgeizigen Projekt gibt. Sie fallen umso kritischer aus, je weiter der Wahlkreis des jeweiligen Mandatsträgers von der Landeshauptstadt entfernt liegt. Auch in seiner Fraktion sehe man das Projekt "sehr skeptisch", sagte der unterfränkische Freie-Wähler-Abgeordnete Gerald Pittner, stimmte aber doch mit dem Koalitionspartner CSU für eine Fortführung der Planungen.

Der FDP-Haushaltspolitiker Helmut Kaltenhauser wollte die "Notwendigkeit" des Projekts zwar nicht bestreiten, zeigte sich aber von den schon jetzt eingetretenen Kostensteigerungen "völlig überrascht": "Ich glaub's nicht." Die Grünen-Kulturpolitikerin Sanne Kurz hatte weniger Probleme mit den Kosten: "Gerade jetzt sind Signale für die Kultur wahnsinnig wichtig. Ein Ort, der für Alt und Jung, Stadt und Land, Freie Szene und Etablierte offen ist und allen Raum bietet, wäre hier ein gutes Signal", sagt sie. "Geld, was man einsparen könnte, ginge ja schlicht zurück in den Staatshaushalt und käme eben dann keineswegs der Kultur zugute. Darum freue ich mich, dass es heute endlich klare Worte zum Konzerthaus für Bayern gab." Allerdings möge man das Konzept so gestalten, dass "nicht nur die üblichen Verdächtigen sich mit Champagner zuprosten".

Fertigstellung wohl erst 2030

Falls es so weit überhaupt kommen sollte, wird noch viel Wasser die Isar herunterfließen, wie Baudirektor Daniel Oden bestätigte. Die Erfahrungen mit anderen Konzerthausprojekten zeigten, dass man sich "ausreichend Zeit für Planung und Umsetzung" nehmen müsse.

In Jahreszahlen ausgedrückt bedeutet das: Baubeginn 2026, Fertigstellung im Laufe des Jahres 2030. Der üppige Zeitrahmen hat auch Vorteile für die Auslastung der drei geplanten Säle mit 1.900, 400 und 200 Zuhörerplätzen, wie Minister Sibler bemerkte: "2030 haben wir mit Corona keine Probleme mehr." Dafür aber womöglich etwas zu viele auf Beethoven, Brahms und Bruckner spezialisierte Säle und keine gute Halle, die wirklich für Pop und Rock vor 3.000 Besuchern geeignet ist.

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