Konzerthaus im Werksviertel: Der Rückschlag

Die Geigerin Anne-Sophie Mutter und der Konzertveranstalter Andreas Schessl haben Ministerpräsident Markus Söders Abkehr vom lange geplanten Münchner Konzerthaus kritisiert. Der CSU-Chef hatte in der "Süddeutschen Zeitung" eine "Denkpause" gefordert und gesagt: "Wir können nicht alles unendlich finanzieren."
Der Freistaat wollte das Konzerthaus für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks bauen, das im Gegensatz zu anderen internationalen Spitzenorchestern bis heute keine eigene Spielstätte hat. Anne-Sophie Mutter sagte der Zeitung: "Wir brauchen dieses Wohnzimmer der kreativen Höhenflüge wie die Luft zum Leben!"
Stadt sucht nach Investor
Seit der Eröffnung der Isarphilharmonie, die für 70 Millionen als Interimsbau für die Gasteig-Sanierung errichtet wurde, stellt sich zunehmend die Frage, wieso für (befürchtete) 700 Millionen auch noch ein weiteres Konzerthaus im Werksviertel gebaut werden soll. Dessen Konzept ähnelt mit der Betonung kultureller Bildung stark den Ideen von Max Wagner für den sanierten Gasteig. Auch hier ist von einer starken Rolle der Musikhochschule die Rede. Ob diese Neukonzeption allerdings wirklich finanzierbar ist oder ob die Gasteig-Sanierung am Ende nur auf eine Sicherung des Bestands hinausläuft, ist offen.
Die Stadt sucht derzeit nach einem Investor. Denkbar wäre aber auch eine Zusammenarbeit mit dem Freistaat, wie sie zuletzt vom Kunstminister Markus Blume und der zweiten Bürgermeisterin Katrin Habenschaden vorgeschlagen wurde.
Andreas Schessl, Geschäftsführer des Veranstalters Münchenmusik, sagte dem "Münchner Merkur": "Für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ist das schlichtweg eine Katastrophe und für München als Kulturstadt ein schlechtes Signal." Nach "der Misshandlung der Kultur durch die Corona-Politik" folge "nun ein weiterer herber Rückschlag". Der Interimsbau der Isarphilharmonie könne ein Konzerthaus mit mehreren Sälen und einen Stützpunkt für die Musikhochschule nicht ersetzen.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter sagte, wenn die Gasteig-Philharmonie nach der Sanierung wieder als Konzertsaal zur Verfügung stehe, werde München mit Gasteig und Isarphilharmonie "zwei herausragende städtische Konzertsäle" haben. Er sei für Gespräche mit dem Freistaat über eine Zusammenarbeit offen.
BR-Intendantin Katja Wildermuth hatte am Freitag betont: "Es besteht weiterhin dringender Bedarf für eine eigene Spielstätte für das BR-Symphonieorchester." Sie hoffe, "dass München einen Spitzenbau für dieses Spitzenensemble mit Top-Dirigent Sir Simon Rattle bekommt".
Konzerthaus im Werksviertel ist ein Prestigeprojekt
Der BR formuliert auf diesem Gebiet gerne Ansprüche, eine mehr als symbolische finanzielle Beteiligung am Neubau hat der Sender aber stets ausgeschlossen. Die Frage, weshalb das BR-Symphonieorchester nach Ende der Gasteig-Sanierung nicht in eine optimierte Isarphilharmonie ziehen kann, ist bisher ebenfalls unbeantwortet.
Letztendlich kommt man um eine Einsicht nicht herum: Das Konzerthaus im Werksviertel ist ein Prestigeprojekt. Sein Ende wäre zwar eine Blamage. Aber auch hier gilt: Lieber ein Ende mit Schrecken als Finanzierungsprobleme ohne Ende.
Über die Folge- und Betriebskosten des Konzerthauses wurde noch nicht einmal in Ansätzen geredet. Ohnehin wäre es vernünftiger, mehr in bestehende Kulturbauten wie den Herkulessaal (und marode Museen wie das Haus der Kunst) zu investieren, statt teure Neubauten zu errichten.