Konsequent ernsthaft

Der Japaner Nobuyuki Tsujii sieht keine seiner Tasten, doch das tut der Kunst des jungen Pianisten keinen Abbruch – in München debütiert er mit Beethoven, Mozart und Mussorgsky
Volker Boser |
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Der Klavierschemel ist fast so breit wie eine Orgelbank. Vorsichtig nimmt der japanische Pianist Platz, streicht mit den Händen über die Tasten, orientiert sich und bringt sich durch ständiges Hin- und Herrücken in die richtige Position.

Das ist auch notwendig. Denn Nobuyuki Tsujii wurde blind geboren. In seiner Heimat nennen sie ihn liebevoll „Nobu”. 2009 gewann er als erster Asiate den amerikanischen Van-Cliburn-Wettbewerb. Seit zwei Jahren tourt er um die Welt. Im Prinzregententheater debütierte er jetzt mit Mozarts A-Dur-Sonate KV 331, Beethovens „Sturm”-Sonate und den „Bildern einer Ausstellung” von Mussorgsky. Die technische Souveränität verblüfft. Selbst riesige Intervallsprünge bringen den 23-Jährigen nicht in Schwierigkeiten. Die Läufe perlen – kaum ein Kollege könnte das besser machen.

Ein wenig überrascht ist man von der kernigen Kraft des Anschlags, die vor allem Mozarts Zerbrechlichkeit immer wieder ignoriert. Manches wird ungewohnt uncharmant präsentiert. Das berühmte „Alla turca”-Finale ließe sich durchaus raffinierter gestalten. Hinreißend dagegen die konsequente Ernsthaftigkeit, mit der die dynamischen und strukturellen Gegensätze in Beethovens op. 31/2 nicht nur hörbar gemacht, sondern auch dem gesamtmusikalischen Kontext untergeordnet werden.

Auch bei Mussorgsky scheint die direkte Energie des Ausdrucks wichtiger als verklausulierte Klangspielereien. Die „Küchlein in ihren Eierschalen” kichern munter, auf dem „Markt von Limoges” herrscht aufmüpfiges Geplapper. Und für das „große Tor von Kiew” ist sogar ein wenig Pathos erlaubt – eine Geste, die sich Nobuyuki Tsujii zuvor beharrlich verkniffen hat.

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