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Falsche Bescheidenheit beiseite: Bei einem wie ihm kommt die Introspektion nun mal nicht auf leisen Pfoten, sondern springt ins Gesicht. Udo Jürgens ist auf seinem neuen Album "Einfach ich".
von  Abendzeitung

Falsche Bescheidenheit beiseite: Bei einem wie ihm kommt die Introspektion nun mal nicht auf leisen Pfoten, sondern springt ins Gesicht. Udo Jürgens ist auf seinem neuen Album "Einfach ich".

An der Liebe fährt man nicht vorbei, auch wenn sie alt geworden ist. Die Mundharmonika heult Einsamkeit in die Nacht, während er auf dem Highway des Lebens braust. "Die Autobahn hier, die kenne ich gut", singt Udo Jürgens und nimmt bald die "Letzte Ausfahrt Richtung Liebe", um nachzuschauen: Ist seine alte Flamme verloschen? Nicht ganz, aber den Zündstoff gibt nun ein anderer: Zwei Schatten stehen hinter ihrem Fenster, und so lässt der Ex den Motor an und ergibt sich seinen Träumen.

Ein Mal biegt Udo Jürgens auf seinem 51. Album zum Country ab, und auch wenn die Sehnsucht in die Tristesse kippt, gibt ihm die Gitarre weiter Drive. Was ist schon ewig? Allein der Schlager rauscht in die Gehörgänge und parkt für immer im Herzen. Die neuen Kompositionen kommen dabei nicht im Bademantel, sondern pompös im Smoking daher: 120 Musiker gaben alles, aufgenommen wurde in Berlin, drei Songs sogar in den Londoner Abbey Studios. Dabei heißt das Album "Einfach ich" (SonyBMG), aber falsche Bescheidenheit beiseite: Bei einem wie Jürgens kommt die Introspektion nun mal nicht auf leisen Pfoten, sondern springt ins Gesicht. Ein Held braucht eine Fanfare, aber bitte mit Sahne: Mächtiger Orchesterklang zu Beginn, säuselnde Harfe, Pauken und Trompeten!

Der Liebeslieder gibt es viele, warum "Denken traurig macht", erklärt Jürgens, sein Piano schwimmt in Tränen. Am liebsten mag man ihn mit Power, wobei man sich fragt, wie das bei der Tournee 2009 sein wird, wenn er in Tanz auf dem Vulkan den umweltschädigenden Hedonismus niederrockt. Die Satire könnte in der Menge untergehen. Überwältigt vom Technikwahn gibt er sich in "Völlig vernetzt": "Bin fernbedient und zwar komplett, und so was von Internet". Der wahre Irrsinn steckt hier im Reim.

"Eigentlich ist es eine Unverschämtheit"

Ein Ohrwurm findet sich nicht, der Erfolg ist dennoch sicher: In der ersten Woche landete "Einfach ich" auf Platz neun der Album-Charts. Jürgens überall: In Hamburg lockt sein Musical "Ich war noch niemals in New York" die Fans in Scharen. "Eigentlich ist es eine Unverschämtheit, dass ich in meinem Alter noch eine Schallplatte mache", so der 73-Jährige. Ach, Unsinn! Wieso anhalten, wenn wir weiter wollen?Michael Stadler

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