Köpfe, Gesichter, Mienen

Das Haus der Kunst zeigt ein Tete-a-Tete der radikalen Art: Zwischen die Bilder der alten Meister funken Barbies, Despoten und das Töchterlein der südafrikanischen Malerin Marlene Dumas
von  Abendzeitung

Das Haus der Kunst zeigt ein Tête-à-Tête der radikalen Art: Zwischen die Bilder der alten Meister funken Barbies, Despoten und das Töchterlein der südafrikanischen Malerin Marlene Dumas

Die eine lächelt aus ihrem Innersten heraus. Der nächste martert uns vorwurfsvoll. Die kleine Helena schmollt trotzig vor sich hin, während Barbie daneben in die Leere kokettiert. Immer ist es das Gesicht, die Miene, die Geschichten erzählt. Und der Blick, der uns anspricht. Erst dann kommt das Drumherum, fallen Kleidung, Accessoires, Körperhaltung oder Draperien ins Auge. Sie machen das Porträt komplett, aber die Essenz liegt im Gesicht. Auch das zeigt jetzt eine bemerkenswerte Gegenüberstellung im Haus der Kunst – „Tronies, Marlene Dumas und die Alten Meister“ –, für die der Begriff des Tête-à-Tête wie geschaffen scheint.

Tronies, so nennen die Niederländer Köpfe und Gesichter, Mienen oder Fratzen. Und sie bezeichnen eine eigene Gattung in der Malerei, waren Vorlage für Größeres und die vielsagende Visitenkarte eines Künstlers. Zu Zeiten Rembrandts gehörten die Tronies zum wichtigsten Werkstatt-Inventar, schon deshalb liegt der Fokus der Schau im 17. Jahrhundert. Bei Pieter Bruegels derben Bauernköpfen und Jacob Jordaens fast impressionistischen Hautlandschaften. Beim Kuriositätenkabinett des Jan Lievens und natürlich in den typischen Rembrandt-Köpfen, die sich im sanften Kerzenlicht wie aus einem Geheimnis schälen.

Auch Künstler haben mal einen schlechten Tag

Dazwischen funken die Tronies der Marlene Dumas – und dieser Kontrapunkt bringt Spannung ins delikate Spiel der Physiognomien. Die bis in kleinste Details ausgeführten Analysen der alten Meister werden mit plakativer Rasanz aus dem Jetzt aufgemischt. Und die Dumas bietet sich an. Köpfe sind die große Konstante im Werk der 57-jährigen Südafrikanerin aus Amsterdam. Wie ein Tagebuch geben sie Subjektives wieder. Erlebtes, Geschautes, manchmal allzu Privates.

Das reicht von den Supermodels der Hochglanzmagazine über die Protagonisten der internationalen Gewaltbühne (Hitler, Saddam) bis hin zur träumenden Tochter, die einer Wasserleiche gleicht. Zwischendurch wird die Kunstgeschichte reflektiert, Delacroix etwa oder die ikonenhaften Christus-Andachtsbilder der frühen Niederländer.

Das ist reizvoll, sicher. Nur wäre weniger tatsächlich mehr gewesen. Denn dass ein Künstler nicht immer einen guten Tag hat, ist zu normal. Nur muss man’s nicht unbedingt zeigen.

Christa Sigg

Bis 6. Februar, Katalog 32 Euro

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