Knapp vor dem Kulturinfarkt

Arnulf Herrmanns Kammeroper „Wasser” bei der Musiktheater-Biennale in der Muffathalle
Robert Braunmüller |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Arnulf Herrmanns „Wasser” bei der Musiktheater-Biennale in der Muffathalle

Am Frühstückstisch befragt, wovon diese Uraufführung gehandelt habe, fällt eine Antwort nicht leicht. Ein altersloser Mann, zu allem Überfluss gleichen Vornamens wie der Berichterstatter, schläft im Hotel ein. Die Wand teilt sich, der verfünffachte Robert singt ein trauriges Lied, während seine Wiedergänger an riesigen Saiten zupfen.

Mit „Wasser” hatte der 65-minütige Abend in der Muffathalle nur im höheren Sinn der Auflösung und des Fließens zu tun. Die Handlung blieb ein Vorwand für Arnulf Herrmanns lastend-schwere, bisweilen seltsam verspielte Musik. Sie lotet Extreme zwischen Kontrafagott und Piccolo-Flöte aus, erlaubt sich aber auch verfremdete Anklänge an Unterhaltungsmusik und elegischen, von den Instrumenten echohaft verdoppelten Schöngesang.

Eine durch Wiederholungen gegliederte Sammlung von Orchesterstücken, Liedern und Madrigalen ist noch kein Bühnenwerk. Dieses ließ allein die Inszenierung von Florentine Klepper entstehen. Unser Robert wurde ins Glitzerkleid gesteckt, während er ins Retro-Mikro sang und das auf der Bühne platzierte Ensemble Modern schattenhafte Nachtklubklänge vorüberziehen ließ.

Die sensibel hörende Regisseurin übersetzte das getragene Grundtempo in eine Traumlogik hinter dem Gazevorhang. Dies erwies sich allerdings zunehmend als billige Rechtfertigung für den fehlenden Zusammenhang. Letztlich handelte es sich um ein Theater-Déjà-vu: Die Langsamkeit, das braun vertäfelte Hotelfoyer mit Schwingtüre, das Aquarium und Schwiegermutterzungen in Adriane Westerbarkeys Bühnenbild glich einem Marthaler-Abend wie ein Ei dem anderen. Und das war vor 20 Jahren Avantgarde, nun endlich auch abgesunken zur Neuen Musik.

Womit wir beim Kernproblem der Biennale wären: einer genügsamen Selbstbezüglichkeit. Die drei diesjährigen Premieren reflektierten aus der Zeit Gefallenes wie die koreanische Kollektiv-Psyche, abgehangene Literaturavantgarde oder – wie „Wasser” – den guten alten Ich-Verlust. Unsere recht aufregende Gegenwart im allerweitesten Sinn, die jede gelungene Aufführung eines Opernklassikers herbeizaubert, blieb draußen vor der Komponistenklause. Weil das aber zur elitären Pose der Neuen Musik gehört, stört’s keinen.

Auch diese Uraufführung mündete in eine nette Premierenfeier, bei der jeder jeden kannte und über den Anlass kaum gesprochen wurde. 2014 muss noch eine solche Biennale durchgestanden werden. Dann muss Ruzickas Nachfolger durchlüften. Sonst holt das zum Branchentreff abgesunkene Festival der Kulturinfarkt. Dafür ist Hans Werner Henzes Gründung echt zu schade.

„Wasser” noch heute und Sa., 20 Uhr, in der Muffathalle

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.