Klangsammelsurium
Der Schweizer Musiker Kaspar Ewald und sein Exorbitantes Kabinett gastieren am Sonntag in München – und spielen alles, von James Brownbis Strawinsky, von Funk bis zu Chorälen
Das kommt dabei heraus, wenn man dem Filius die Klang-Welt da draußen vorenthält, die sich mittels TV und Radio doch so unkompliziert in die gute Stube holen ließe: Kaspar Ewald war ein erlebnishungriges Kind, das spürte, dass es noch etwas anderes geben musste als die steife Hausmusik daheim. Als sich ihm die Möglichkeit bot, machte er sich über alles her, was ihm vor die Ohren kam, beleuchtete und analysierte es bis ins kleinste Detail.
Der heute 40-jährige Komponist aus dem Basler Land lernte zunächst brav Klarinette und Klavier. Als er erfuhr, dass es einen Kosmos jenseits der Klassik gab, wollte er Schlagzeuger werden. Er trommelte heimlich mit Sticks auf seinem Kopfkissen herum. „Ein Drumset hätte meine Mutter wohl in den Wahnsinn getrieben“, lacht er. „Heute müssen meine Mitmusiker die rhythmische Komplexität für mich umsetzen, die ich als Drummer nicht ausleben konnte.“ Und was der studierte Tonsetzer den Mitgliedern seines Exorbitanten Kabinetts alles zumutet.
Zwischen den Extremen
Der aus Jazzern und Klassikern rekrutierte 14-köpfige Haufen besteht aus Präzisionsfetischisten, denen keine noch so abwegige Metrik, keine noch so abenteuerliche Rhythmus-Überlagerung oder abs-trus wirkende Struktur fremd ist. Ihr Chef, der in Zürich Komposition lehrt, bewegt sich auf mitunter mathematisch berechneten Pfaden zwischen zwei Extremen, die James Brown und Igor Strawinsky heißen. Ein Sammelsurium an Einflüssen, von Funk und Prog-Rock, Bigband-Jazz und Neuer Musik bis hin zu Bläserchorälen und Volksliedhaftem verarbeitet er zu einer Musik, die ein Gesicht hat – mit klaren, scharfkantigen Zügen.
„Die Musik wird spannender, wenn man sich selbst Steine in den Weg legt“, bekennt der stets nach Herausforderungen lechzende Kaspar Ewald. Auf den drei Alben seines Exorbitanten Kabinetts spürt man das genauso wie sein komisches Talent. In den Booklets erfährt man einiges über ihn und seine Band: die Lieblingswaffen, die persönlichen Ängste und dass Ewald am liebsten ein Pinguin wäre.
Thematisch wildert der Sohn eines Kanton-Archäologens am liebsten im Mittelalter, erzählt von Rittern, Räubern und Reptilien. „Die Jetztzeit inspiriert mich weniger. Mein Herz schlägt auch für die Romantik und die vorletzte Jahrhundertwende. Mit unserer Geiz-ist-geil-Zeit kann ich wenig anfangen.“
Ssirus W. Pakzad
Kaspar Ewalds Exorbitantes Kabinett, Unterfahrt, Einsteinstraße 42, Sonntag, 21 Uhr, Eintritt: 20 Euro/Mitglieder 10 Euro, Tel. 448 27 94