"Wunder" - Die innere Schönheit

Einfühlsam und sonnig: Steven Chboskys Romanverfilmung "Wunder" mit Julia Roberts und Owen Wilson.
von  Michael Stadler
Auggie (Jacob Tremblay) fast schwerelos in seinem Kinderzimmer. Aber bald geht er ohne Helmschutz raus aus seinem Kinderzimmer.
Auggie (Jacob Tremblay) fast schwerelos in seinem Kinderzimmer. Aber bald geht er ohne Helmschutz raus aus seinem Kinderzimmer. © Studiocanal

Gerade im Kino spielt das Gesicht als Ausdrucksfläche aller möglichen Emotionen eine tragende Rolle. Die Zahl der Close-Ups hat in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen. Was zum Selfie-Zeitalter passt, in dem das Gesicht ständig in den Fokus gerückt wird, was den Druck zum perfekten Aussehen erhöht.

Der zehnjährige Auggie hingegen versteckt sein Gesicht hinter einem Astronautenhelm, nicht nur, weil er Star-Wars-Fan ist und sich fürs All interessiert, sondern auch, weil sein Gesicht seit der Geburt entstellt ist. Es braucht dann auch eine Weile, bis Auggie (Jacob Tremblay) den Helm abnimmt und der Zuschauer ihn in "Wunder" zu Gesicht bekommt. Ein wenig sieht er aus wie ein junger Verwandter von David Lynchs "Elefantenmensch". Und auch in Chbosyks Film geht es, wenngleich wesentlich weniger düster, um einen Außenseiter, der allein wegen seines Äußeren sich ausgeschlossen fühlt.

Nachdem Auggie von seinen Eltern unterrichtet wurde, beschließen sie, dass er doch in die Schule gehen und sich der Herausforderung stellen soll, sich über alle Widerstände hinweg in einer Klasse mit Gleichaltrigen zu integrieren.

Eine sonnige Tragikomödie

Ohne die Härten auszulassen, mit denen Auggie da konfrontiert wird, adaptiert Chbosky den Bestseller von Raquel J. Palacio zu einer sonnigen Tragikomödie. Dabei verschränkt er zwei Themen, die in seinen bisherigen Kino-Werken zentral waren: In seinem Regiedebüt, der Verfilmung seines eigenen Romans "The Perks of Being a Wallflower – Vielleicht lieber morgen", ließ Chbosky einen schüchternen Jungen in der Highschool erste Schritte aus dem Mauerblümchen-Dasein machen. Und als Co-Autor von der Neuverfilmung von "Die Schöne und das Biest" hat er gerade erst zur Genüge das Verhältnis von äußerer und innerer Schönheit ausloten können.

Für die Blicke, die auf Auggie gerichtet werden, und Auggies Sicht auf die Welt, findet Kameramann Don Burgess schöne Bildarrangements: Auggies Einsamkeit offenbart sich gerade aus der Vogelperspektive. Burgess hat bereits mit "Forrest Gump" einen Außenseiter vor der Kamera gehabt. Und auch in "Wunder" setzt sich die Liebenswürdigkeit des Helden allmählich gegenüber alle oberflächlichen Ressentiments durch.

Zwischendurch bringt der Film noch andere Erzählstimmen ins Spiel – Auggies Schwester etwa, die darunter leidet, dass die Eltern ihre Aufmerksamkeit vor allem auf den Sohn richten. Aber Julia Roberts und Owen Wilson sind jedoch insgesamt Eltern aus dem Bilderbuch, wachsam, humor- und liebevoll. Dem Gesicht von Julia Roberts hat dabei die Zeit unheimlich wenig anhaben können. Ihr Lächeln ist weiterhin wunderschön.


Kino: Cadillac, Cinemaxx, Gloria Palast, Solln, Rex und Münchner Freiheit sowie Cinema und Museum (OV); Buch & Regie: Stephen Chbosky (USA, 114 Min.)

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