"Wir drucken!"

Steven Spielberg hält mit "Die Verlegerin" ein leidenschaftliches Plädoyer für die vierte Macht im Staate.
Andreas Fischer |
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Die Interessen von Verlag und Redaktion müssen sich nicht zwangsläufig ausschließen, wie Tom Hanks und Meryl Streep in "Die Verlegerin" beweisen.
2018 Universal Pictures Die Interessen von Verlag und Redaktion müssen sich nicht zwangsläufig ausschließen, wie Tom Hanks und Meryl Streep in "Die Verlegerin" beweisen.
Hollywoods Filme über die Rolle der Presse in der Demokratie hatten immer etwas Grundsätzliches zu den Themen Meinungsfreiheit und Verantwortung der Presse zu sagen. Das war 1976 bei "Die Unbestechlichen" so, das war zuletzt bei "Spotlight" (2015) nicht anders. Wenn Steven Spielberg
in seinem neuen Film "Die Verlegerin" Hauptdarstellerin Meryl Streep
sagen lässt "Journalismus wird für die Regierten gemacht, nicht für die Regierenden", dann ist das ein erwartbarer Satz. Aber auch einer, der immer wichtig und aktuell war und der es heute erst recht ist. Fake News, alternative Fakten, "Lügenpresse": Der Journalismus hatte es wahrlich schon einfacher als heute. "Die Verlegerin" spielt 1971 und ist ein Film, der nicht besser in die Zeit passen könnte. Damals berichtete die traditionsreiche, aber bedeutungsschwache "Washington Post" von den Pentagon Papers. Die geheimen Dokumente belegten, dass US-Regierungen - sowohl unter republikanischen als auch unter
demokratischen Präsidenten - jahrzehntelang nicht die Wahrheit über den Vietnamkrieg erzählten. Als Erste hatte die "New York Times" Auszüge veröffentlicht - und sich den Zorn der Nixon-Administration zugezogen, die mit aller juristischer Härte zurückschlug und der Zeitung
weitere Veröffentlichungen untersagen ließ. Erst danach kam die "Washington Post" ins Spiel. Deren Verlegerin Katharine Graham - Meryl Streep wurde für die Rolle zum 21. Mal für den Oscar nominiert - musste entscheiden, ob sie angesichts drohender Gerichtsverfahren die wirtschaftliche Zukunft ihres Unternehmens riskiert oder ihre Zeitung - egal wie hoch der Preis sein würde - zur Hüterin der
Demokratie macht. Auch Steven Spielberg hat also etwas Grundsätzliches zur Bedeutung der Pressefreiheit und dem Wesen der Demokratie zu sagen. Sein Plädoyer ist umso wichtiger, als dass der heute von weiten Teilen der Gesellschaft mit einem Schulterzucken hingenommene Angriff auf die freie Presse
kein von Konsorten wie Trump, Erdogan oder Putin exklusiv erschaffenes Problem ist. Auf dem Höhepunkt der Pegida-Bewegung konnte sich in Deutschland kein Journalisten sicher sein, unbehelligt und körperlich unversehrt von den Demonstrationen berichten zu können. Spielberg inszeniert diesen Aspekt seines Films etwas bräsig als Thriller, mitsamt nostalgisch klappernden Schreibmaschinen, unmöglichen Deadlines, einem hemdsärmligen Tom Hanks als Chefredakteur und einem aufgekratzten Bob Odenkirk ("Better Call Saul") als Investigativreporter. Man trifft sich konspirativ, man spioniert bei der Konkurrenz, man beschafft sich brisantes Material. Und irgendwann kommt die Ehefrau herein und reicht der abgekämpften Meute Schnittchen. Spannender sind andere, sind die persönlichen Aspekte des Films. "Die Verlegerin" ist auch die Geschichte einer Frau, die sich in einer Zeit emanzipiert, in der sich die Damen normalerweise in den Salon zurückzogen, um sich mit neuen Modetrends zu beschäftigen, wenn ihre Männer über Politik diskutieren wollten. Katharine Graham war 1971 einsam zwischen all den Wölfen. Sie führte als Frau ein Unternehmen, was damals noch exotischer war, als es heute ist. Jeder Mann wusste alles besser. Grahams Vater hätte sein Unternehmen lieber in die Hände ihres Mannes gegeben. Doch nach dessen frühen Selbstmord saß plötzlich eine Frau im Chefsessel, was ziemlich viele Männer ziemlich befremdete. Kompetenz traute ihr niemand zu. Dabei verfolgte die in sich ruhende Frau einen Plan. Ist das noch Journalismus, oder kann das weg? Das ist noch so eine Frage, die wie ein Damoklesschwert in den Redaktionsräumen der "Washington Post" schwebt, wo sich die Redaktion mit auflageträchtigen, aber belanglosen "bunten" Themen rumärgerte. Katharine Graham jedoch glaubt daran, mit einem guten journalistischen Produkt auch wirtschaftlich erfolgreich sein zu können. Man kann ihr für diese Überzeugung nicht genug danken, in Zeiten, in denen Journalismus immer häufiger aus gut klickbaren skandalisierten Nichtigkeiten, Bildergalerien und Persönlichkeitstests besteht. "Wir drucken!", sagt Katharine Graham am Ende leise ins Telefon. Ihre Stimme ist fest dabei. Es ist die Stimme einer Frau, die weiß, was sie tut, und die tut, was sie für richtig hält. Wenige Jahre nach den Pentagon Papers war die "Washington Post" das federführende Blatt bei der Aufdeckung der Watergate-Affäre.
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