Wim Wenders erzählt von "Perfect Days" in Tokio

Da putzt sich eine Stadt heraus - und dann das: Lockdowns über Jahre - wohl die strengsten auf der Welt. Die wiederum hatte man eigentlich ja eingeladen zu den Olympischen Spielen im Sommer 2020. Zuvor waren noch 15 renommierte Architekten beauftragt worden, die eigentlich "stillen Örtchen" der Stadt spektakulär zu gestalten. So auf modernen Hochglanz gebracht konnte die japanische Toilettenkultur coronabedingt aber nicht in der Weltöffentlichkeit glänzen.
Man fragte also beim Japan-Verehrer Wim Wenders an, ob er diese intimen Orte nicht ins rechte Licht rücken könne - als stilisierender Fotograf oder als spektakulärer Dokumentarfilmer. Entstanden ist aber ein intimer Spielfilm, einer der besten und anrührendsten - nicht nur von Wim Wenders. Sein Film "Perfect Days" wurde schon in Cannes bei der Premiere gefeiert und darf jetzt für Japan ins Oscarrennen gehen.
Lebendige Lehrstunde der Achtsamkeit
"Perfect Days" - der Song von Lou Reed erklingt auch - ist eine ruhige Schule des Sehens, zwei dabei durchaus lebendige Lehrstunden der Achtsamkeit. Und dass es nicht langweilig wird, dafür sorgt das große Gespür von Wim Wenders für schöne Bilder der frühmorgendlichen Großstadt, ihrer Straßengewebe und modernen Überführungen. Man streift kleine Parks, besucht Bars und Suppenküchen, betritt das bescheidene Haus von Hirayama, wo sich ein Alltagsritual abspielt, wenn er abends nach dem Duschen noch auf dem Futon liest.
Alles auch Passionen von Wenders
Viel passiert nicht im Alltag von Hirayama, den Japans Superstar Koji Yakusho verkörpert. Zusammen mit der Stadt Tokio trägt er den Film. Und es sind die kleinen Dinge - vor allem ein Baum im Park seiner Mittagspausen, Fotos, die er macht - und die kleinen Begegnungen, die einem diesen Mann und sein Glücksrezept aufschlüsseln. Denn Hirayama ist ein glücklicher Mensch, der in sich ruht, was man auch merkt, wenn er mit seinem nervösen jungen Kollegen konfrontiert ist oder dessen Girlie-Freundin kennenlernt, vor der der Hektiker verbergen will, dass er Toiletten putzt.
Sanfte Enthüllungen, Andeutungen und bleibende Geheimnisse
Und das Geheimnis von Hirayamas Ausgeglichenheit? Man ahnt immer mehr, dass sie auch eine Reaktion auf seine Vergangenheit ist, dass er nicht immer ein Toilettenmann war. Aber was steckt hinter seiner reichen Vergangenheit, seiner Partnerlosigkeit, seiner Liebe zur US-Rockmusik und den Songwritern der 70er Jahre und zu den US-Autoren und Klassikern William Faulkner oder Patricia Highsmith? Was natürlich alles auch Passionen von Wenders selbst sind, die er daher so stimmig und doch fast beiläufig elegant einbauen kann.
Wenders gelingt traumwandlerisch eine Mischung aus sanften Enthüllungen, Andeutungen und bleibendem Geheimnis. Sein Gespür für den richtigen Rhythmus eines Films lässt auch nie Langeweile im wiederkehrenden Tageskreislauf aufkommen. Fast unmerklich zieht Wenders das Tempo immer mehr an. So ist ein ruhiger, dennoch belebter Kinofilm entstanden, durchaus auch ein bisschen altmodisch, aber auch gerade dadurch besonders schön.
Kino: ABC, City, Maxim, Rio, Isabella (alle auch OmU) sowie Arena, Theatiner (OmU)
R: Wim Wenders (Jap., 123 Min.)