"Wife of a Spy": Die unsichtbare Dritte beim Münchner Filmfest

"Immersiv" lautet bei modernen Kriegsfilmen das Zauberwort. Preisgekrönte Arbeiten wie "1917" von Sam Mendes wollen den Zuschauer eintauchen lassen in ihre Welt des Schreckens.
Eine raffinierte Romanverfilmung mit rasender Kamera
Mit rasender Kamera und einem Gewitter auf der Tonspur soll man möglichst hautnah die Gräuel im Kugelhagel miterleben. Das Ergebnis mag verstören, ist aber oft auch nah dran an einer fragwürdigen Ästhetisierung.
Einen ganz anderen, distanzierteren, aber nicht weniger mitreißenden Weg geht in "Wife of a Spy" der japanische Regie-Veteran Kiyoshi Kurosawa ("Tokyo Sonata").
Seine raffinierte Romanverfilmung spielt zwar 1940, sprich im Jahr der Unterzeichnung des Dreimächtepakts zwischen Deutschland, Italien und Japan, verzichtet aber völlig auf eine am Computer künstlich erzeugte Historisierung dieser Zeit.
Im Mittelpunkt stehen bei Kurosawa die von den politischen Umwälzungen direkt Betroffenen: wie der charismatische Stoffhändler Yusaku (Issey Takahashi).
Mahnung zu mehr Konformismus
Sein auf den Abschluss von Geschäften - was den Handel mit Ausländern nicht ausschließt - abzielendes, westliches Gebaren ist bei den japanischen Militärs in Kobe nicht mehr gern gesehen.
Die Mahnung zu mehr Konformismus kommt besonders von Taiji (Masahiro Higashide), einem mächtigen Polizeihauptmann, der einst mit Yusaku und seiner schillernden Frau Satoko (Yu Aoi) befreundet war.
Eine Geschäftsreise von Yusaku und seinem Neffen Fumio (Ryôto Bandô) führt zu neuen, auch die Beziehung betreffenden Irritationen. Denn Yusaku soll ohne Satokos Wissen eine Frau nach Kobe gebracht haben - die bald auch noch tot aufgefunden wird.
Aus dieser Konstellation ergibt sich auch für die Zuschauer ein mysteriöses Vexierspiel, dass in der Tradition von Alfred Hitchcock steht.
Stilsicherer Mix aus Melodrama und Spionagethriller
Meisterhaft gelingt es Kurosawa in seinem stilsicheren Mix aus Melodrama und Spionagethriller falsche Fährten zu legen und wichtige Details bewusst im Nebulösen zu halten.
Sein erzählerischer Fokus liegt dabei stets auf Satoko. Die freundliche Hobby-Schauspielerin und Dame von Welt wird von ihrem Mann in aufwendigen Amateurfilmen gekonnt in Szene gesetzt, in der Realität aber von vielen wichtigen Informationen ausgeschlossen.
Ein radikaler Wandel im Charakter
Die Verweigerung von Yusaku seine Frau als gleichwertigen Partner anzuerkennen, nimmt ein abruptes Ende. Denn Satoko, die weit weniger naiv ist als sie für ihr (männliches) Umfeld scheint, bekommt Wind davon, dass ihr Mann brisante Dokumente über Experimente mit Biowaffen ins Ausland schmuggeln will.
In der Folge verändert sich fast zwangsläufig die Beziehung, wird aus der Muse Sakoto die eigentliche Regisseurin in Sachen Spionage.
Ein radikaler Wandel im Charakter, im Annehmen einer neuen, gefährlichen Rolle, der unter der souveränen Regie von Kurosawa nie forciert wirkt und bis zum entfesselten Finale den Zuschauer zu fesseln versteht.
Dienstag, 21.15 Uhr, Sugar Mountain (Helfenriederstraße)