Werner Herzog - immer unter Genieverdacht

Werner Herzog bekommt den Kulturellen Ehrenpreis der Stadt und erzählt von München und der AZ
Robert Braunmüller / TV/Medien |
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Ein Rätsel konnte keiner der Redner lösen: Warum ist Werner Herzog mit seinen über 60 Filmen in den USA ein Kultregisseur, auch wenn dieses Wort manchmal peinlich überstrapaziert ist? In drei Wochen wird er seinen neuen Film „Queen of the Desert“ mit Nicole Kidman und James Franco vorstellen. Bei uns in Deutschland aber finden viele seiner Filme nicht einmal mehr einen Verleih.

Vielleicht liegt es daran, dass Werner Herzog vom Zuschauer Mut verlangt, Ungewöhnliches, Exzentrisches, Rätselhaftes einfach stehen zu lassen – als ein Teil der „ekstatischen Wahrheit“, die Herzog immer sucht, die sich aber eben dem reinen Verstandeszugang konsequent entzieht.

Der Herzog, der OB und Edgar Reitz als fantastisches Trio

Mit einer kleinen Kostprobe wurde das brave Münchner Kultur- und Bildungsbürgertum im Festsaal des Alten Rathauses gleich zu Beginn auf die Probe gestellt: Ernst Reijseger, der Cellist und Komponist (auch der Filmmusik vieler Herzog-Filme) spielte solo auf der Bühne. Es ist ortlose Musik, zwischen Naturvolk-Eindrücken, mit Schwingungen und Glissandi, dann wieder doch jazzig, aber auch wieder wie auf einer Bach-Cellosuite basierend. Dabei gibt Reijseger auch harmonische Klagelaute von sich und wandert mit dem Instrument durch den Raum.

Oberbürgermeister Dieter Reiter hat ein weiteres Mal vergessen lassen, dass 18 Jahre lang ein anderer, ein „Kultur“-Oberbürgermeister den Kulturellen Ehrenpreis hier verliehen hat. Denn Reiter fand in seiner so natürlichen Art sofort einen Draht zu dem rätselhaften Herzog, vor allem über das, was Herzog in seiner Dankesrede als Kern seiner Sehnsucht in aller Welt und seiner zweiten Heimat Los Angeles nach Heimat, nach München und Bayern bezeichnete: den Dialekt.

Edgar Reitz, der Kulturpreisträger des Jahres 1992, hielt die Laudatio auf seinen Kollegen Werner Herzog. Es war eine der klügsten, genauesten und zauberhaftesten Beobachtungen zum Werk Herzogs: das Verschwimmen von Dokumentarischen und Spielfilmischen, das Suchen und die Versuchung der Grenzerfahrung, Bilderfindungen, die weit über das hinausweisen, was konkret passiert.

Auf der Wiesn

Herzog, ging in seinem Dank darauf nicht ein: Interpretationen überlässt er den anderen. Vielmehr erzählte er von seinem Aufwachsen in den Bergen und in München, wie er als Bub zum ersten Mal in der Landeshaupstadt am Hauptbahnhof noch alle Passanten gegrüßt hat und wie er nach der Zugreise den Hosenlatz seiner Lederhosn geöffnet hat und in den Rinnstein pinkelte, alles wie man es auf dem Dorf halt so gemacht hat. Oder wie er schon als Kind dem unbändigbaren, größenwahnsinnigen Kinski in einer Pension in der Elisabethstraße, wo er mit Bruder und Mutter lebte, begegnete. Wie er sich als Parkwächter auf dem Oktoberfest Geld verdiente. Und da gibt Herzog plötzlich doch eine Idee, wie Bilder bei ihm entstehen: „Alle sind immer besoffen nach Hause gefahren. Aber jeden Abend gab es so ein Dutzend, die nicht einmal mehr gehen konnten. Ich habe sie dann in eine Reihe an den Wiesenrand gelegt, ihnen die Schlüssel abgenommen und bin mit ihren Autos ein wenig herumgefahren. Und oft habe ich dann die Autos alleine weiterfahren lassen, so dass sie im Kreis fuhren.“

Eine halbe Stunde zuvor hatte Edgar Reitz eine Szene aus Herzogs „Auch Zwerge haben klein angefangen“ beschrieben: wo ein Auto leer und führerlos kreist. „Sie sehen, meine Bilder sind immer aus konkreten Situationen geboren“, sagt Herzog und viele Schlüsselerlebnisse verdankt er München...

Auch die Abendzeitung spielt in seinem Werdegang eine lustige Rolle: Herzog hatte an einem Literaturwettbewerb der Zeitung teilgenommen, wie er erzählt. Der erste Satz war vorgegeben. Herzog hatte unter fünf Pseudonymen mit fünf Geschichten teilgenommen, weil es fünf Preise gab. „Ich war nicht überrascht, als die Nachricht kam, dass ich gewonnen hatte. Aber zu meiner Überraschung nur viermal... Sie sehen, was ich damals für eine merkwürdige Selbstwahrnehmung hatte.“ Die AZ selbst war allerdings „sauer“, weil sie viermal Herzog auszeichnen musste. Aber man konnte ja damals nicht ahnen, was aus diesem Mann noch werden würde, oder doch?

 

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