Interview

Wenn die Ehe in die Jahre kommt: Senta Berger und Günther Maria Halmer in "Weißt du noch"

Senta Berger und Günther Maria Halmer sprechen im AZ-Interview über Liebe, Endlichkeit, was ein Leben gelungen macht – und ihren neuen Film "Weißt du noch".
von  Adrian Prechtel
Senta Berger wurde 1941 in Wien geboren. Ihre Filmkarriere begann in Österreich und führte sie in den 1960er Jahren über Deutschland bis nach Hollywood. Günther Maria Halmer wurde 1943 in Rosenheim geboren. Seinen Durchbruch hatte er 1974 als "Tscharlie" Häusler in den "Münchner Geschichten". Weitere Bekanntheit erlangte er in der TV-Serie als Anwalt Abel.
Senta Berger wurde 1941 in Wien geboren. Ihre Filmkarriere begann in Österreich und führte sie in den 1960er Jahren über Deutschland bis nach Hollywood. Günther Maria Halmer wurde 1943 in Rosenheim geboren. Seinen Durchbruch hatte er 1974 als "Tscharlie" Häusler in den "Münchner Geschichten". Weitere Bekanntheit erlangte er in der TV-Serie als Anwalt Abel. © ARD Degeto/Hendrik Heiden

Im Film von Rainer Kaufmann sind Marianne und Günter seit über 50 Jahren verheiratet und wissen nicht, warum und wohin ihre Liebe in freudloser Routine und gewisser Resignation entflohen ist. Aber weil "Weißt du noch" auch eine romantische Komödie im Alter sein will, passiert eine fast zauberhafte Veränderung – durch eine Art Glückspille? Aber kann die alle Probleme lösen?

AZ: Frau Berger, französische Filme haben oft eine schöne Kombination aus Leichtigkeit und Tiefe, deutsche Filme zu ähnlichen Themen sind dann oft zu hart. "Weißt du noch" hat in diesem positiven Sinn eine fast französische Anmutung.
SENTA BERGER: Ja, und das liegt auch nicht nur an der schönen Musik von Charles Aznavour, die eingewoben ist.
GÜNTHER MARIA HALMER: Weil Sie von der Balance aus Leichtigkeit und Tiefe sprachen: Haben Sie lachen müssen in unserem Film?

Senta Berger und Günther Maria Halmer in "Weißt du noch".
Senta Berger und Günther Maria Halmer in "Weißt du noch". © picture alliance/dpa/Majestic

Absolut, aber es gibt eben auch eine große Nachdenklichkeit. Und für mich ist die Frage: Wer von Ihnen beiden ist denn der Lebensweisere im Film? Die Frau, die das Altern leugnet oder der Mann, der es fast masochistisch zelebriert.
GMH: Weiser ist immer die Frau. Frauen denken mehr über das Leben und ihre Beziehungen nach. Sie ahnen, wohin das Leben läuft. Männer leben das unreflektiert, jagen der Karriere hinterher und haben dadurch weniger Selbstreflexion, die die Chance gäbe, etwas besser zu machen.
SB: Frauen begreifen vielleicht früher die Endlichkeit. Vielleicht auch, weil sie durch die Geburt ihrer Kinder auch den Beginn des Lebens und die Gefährdung des Lebens stärker empfinden und ihren Körper besser kennen. Sie lesen auch mehr Hesse: "Wie jede Blüte welkt und jede Jugend / Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, / blüht jede Weisheit auch und jede Tugend / zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern".
GMH: Ich war bei der Geburt meines zweiten Sohnes auch dabei. Und da war so eine Einheit zwischen ihm auf ihrem Bauch nach der Geburt und ihr. Ich kam mir überflüssig vor.

Senta Berger und Günther Maria Halmer: "Als Eheleute bilden wir bei allem Streit eine Einheit"

Sie beide machen mit Ihrer Lebenserfahrung nicht mehr jedes angebotene Projekt mit. Was hat Sie hier noch einmal vor die Kamera gezogen?
GMH: Ich habe bei diesem Film mitgemacht, weil ich Rainer Kaufmann verehre, Martin Rauhaus ein sehr gutes Drehbuch geliefert hat – und weil ich wieder mit Senta Berger arbeiten konnte, die keine Starallüren hat, was einem guttut. Was will man mehr?
SB: Mich hat an dem Projekt vieles sofort angesprochen, ich fand es stimmig und auch sehr fein. Kein großes Ehe-Drama und auch keine platte Komödie, sondern eine ernstzunehmende Komödie. Und Günther Maria Halmer kannte ich schon seit langer Zeit. Wir haben schon mehrfach Ehepaare gespielt, fast immer nur welche, die nicht harmonieren.

"Weißt du noch" zeigt durch Sie beide zwei Möglichkeiten, sich dem Unabwendbaren zu nähern…
SB: Das Wort "Tod" wird ja im Alltag ganz ungern verwendet. Man sagt: Abschied, redet von "ist verschieden" oder "gegangen". Das Faktum aber ist: Da ist jemand tot!

Günther Maria Halmer und Senta Berger im ZDF-Film "Das Leben auf dem Land".
Günther Maria Halmer und Senta Berger im ZDF-Film "Das Leben auf dem Land". © pa/obs/ARTE/ZDF/Conny Klein

Glauben Sie, dass nach dem Tod noch was kommt?
SB: Nein. Und das ist doch auch tröstlich. Man wird Erde, aus der ein Rosenstock wächst. Meine Mutter aber zum Beispiel ist immer bei mir. Ich stelle mir gar nicht so selten vor, wie schön es wäre, wenn ich mich umdrehe und sie wäre da. Ich möchte gerne zum Beispiel sagen: "Schau! Es ist doch alles ganz gut für uns ausgegangen." Sie ist da, weil ich sie in mir habe, in meinen Gedanken.
GMH: Der Günter im Film sagt sich halt: Warum jetzt noch reisen, in eine Ausstellung gehen, wenn sowieso bald nichts mehr bleibt? Die Erinnerung an Van Gogh geht ja mit ins Grab.
SB: Als Eheleute, die Jahrzehnte verheiratet sind, bilden wir bei allem Streit eine Einheit und das wäre eben die Lösung: Lebenslust und trotzdem sich der Endlichkeit bewusst sein und das auch zugeben können. Es ist auch viel weniger anstrengend, wenn man keine Fassade mehr zeigen muss. Als ich das Drehbuch gelesen habe, ging mir durch den Kopf, dass Lebenslust und Nachdenklichkeit in einem selbst auch oft nach Stimmung wechseln – so dass man diesen Günter und meine Marianne zusammendenken muss.

Günther Maria Halmer: " Das merkt man anderen in unserem Alter schon an"

Sind im Film die Sympathien des Zuschauers gerecht verteilt? Der Grimmigere hat es doch schwerer als die Leichtlebigere.
SB: Ich finde, es ist gerecht verteilt.
GMH: Er ist auch nicht richtig unsympathisch, aber doch ein Menschenfeind. Also ist der Zuschauer eher auf ihrer Seite, der Seite der Frau. Das liegt ja auch im Zeitgeist. Der "alte Nörgler" ist zu meinem Fachgebiet geworden, wenn ich auf der Bühne oder vor der Kamera stehe. Aber ich kann diese Texte und das Drehbuch gut nachvollziehen. Und es trifft ihn natürlich, wenn seine Frau ihn darauf aufmerksam macht, dass er schlecht hört und schon vergesslich wird.
SB: Das Problem eines Paares ist ja, das man nicht will, dass der andere altert. Auch weil man sich in ihm ja erkennt und spiegelt. Zwar schaut man sich mindestens zweimal am Tag beim Zähneputzen in den Spiegel, aber im anderen sieht man das Altsein und es spiegelt auf einen zurück. Also will man Nicht dass der andere altert. Und im Film ruft sie ihm im übertragenen Sinne zu: Auf, auf, du musst beweglich bleiben – im Hirn und körperlich, lass dich nicht so gehen! Die beiden haben in ihrer Eingespieltheit neben Nähe eben auch Frust angehäuft und Quäl-Rituale entwickelt.

Senta Berger und Günther Maria Halmer im ZDF-Film "Bis dass dein Tod uns scheidet":
Senta Berger und Günther Maria Halmer im ZDF-Film "Bis dass dein Tod uns scheidet": © picture-alliance / obs

Aber als sie ihn erinnert, dass er sich vorgenommen hatte, niemals spießig zu werden, ist das wie ein Weckruf.
GMH: Was aber ist spießig? Jedenfalls eine Enge, die alles ausschließt, was anders ist, als man es selbst macht oder für richtig hält. Nicht spießig sein wollen kann aber auch spießig sein, und wie hat der Polt mal gesagt: "Spießig ist riesig!" Aber Offenheit bewahren, ist ein tägliches Training in jedem Alter, weil halt Gewohntes und Schubladen bequem sind. Eine wesentliche Sache ist es dann, sich zu erinnern, dass man früher auch Sachen gemacht hat, die man heute nicht mehr tun würde. Medienschelte bei der Jugend ist so eine Sache. Dabei haben wir auch Methoden gehabt, um uns genervt von den Erwachsenen auszuklinken.
SB: Ich verstehe verschiedene Sachen von heute nicht: Die Musik, die sich zum Teil von der Melodie verabschiedet hat. Oder was man heute unter "feiern" versteht. Im Pulk in einen Club gehen heißt heute feiern, wozu man dann auch noch Unterstützung braucht, um das bis fünf Uhr morgens durchzustehen. Ich muss mir also schon einen neuen Begriff ausdenken dafür, was ich unter "feiern" verstehe: Freunde treffen, sich unterhalten, manchmal auch mit einer feierlichen Stimmung. Und dann fällt mir ein, was es eine Katastrophe für meinen Vater gewesen sein muss, als ich nach Hause kam und in meinem Zimmer Elvis Presley aufgelegt habe. Ein Kulturschock für ihn als Musiker, als nach dem weihevollen Aufsetzen der Nadel und der kurzen Stille dann Rock'n'Roll erschallte. "Das ist keine Musik!", schrie mein Vater. Und das muss ich erinnern, wenn heute die Enkelgeneration Musik aufdreht. Aber mein Beruf – Schauspielerin – hat den großen Vorteil, dass man immer wieder mit dem Neuen und Jungen konfrontiert wird.
GMH: Und wer das nicht hat oder macht: Das merkt man halt anderen in unserem Alter schon an. Meine Figur, der Günter, mochte schon seinen Job als Prokurist in einem Fuhrunternehmen nicht. Er hatte Spektakuläreres für sich erwartet und ist deshalb auch frustriert, weil er alt ist. um dann gleich den Nachbar anzuschnauzen, dessen Hund vor die Einfahrt scheißt: "Sie brauchen nicht glauben, dass nur, weil wir alt sind."
SB: Wir haben als Schauspieler auch kein klassisches Rentnerleben. Bei vielen meiner Verwandten war die Erfüllung halt dann der Schrebergarten.
GMH: Der muss ja auch nicht spießig sein.
SB: Viele sind nett zu ihren Astern und Hortensien, pflücken ihre Kirschen und wählen dann rechts. Das kann auch eine trügerische Idylle sein.

Senta Berger glaubt, "mit Anstand durchs Leben gekommen" zu sein

Eine rührende Szene ist die Erinnerung an die Zeit, als sie Krebs hatte, und er zum ersten Mal zugibt, wie viel Angst er hatte und wie viel ihrer Schmerzen er gerne übernommen hätte.
SB: Aber die Bücher, die er sich heimlich kauft, um zu verstehen, was da mit seiner Frau passiert, sind dann die, die Krankheit als Metapher nehmen: So nach dem Motto: Hinter jeder Krankheit steht ein Fehlverhalten. Und diese Bücher gibt es doch en masse in unserer Selbstoptimierungsgesellschaft.
GMH: Und das ist natürlich zynisch.
SB: Und diese "Mach was draus", "nimm die Krankheit an" ist furchtbar, eine Anmaßung gegenüber Betroffenen.

Was ist für Sie ein "gelungenes Leben"?
SB: Ich habe sicher Fehler gemacht und auch mal andere verletzt, aber ich glaube doch, dass ich mit Anstand durchs Leben gekommen bin, dass ich versucht habe, mit Menschen anständig umzugehen.
GMH: Für mich sollte ein Leben prall gefüllt sein, nicht langweilig. Und dass man zurückschaut und sagen kann: Es war so in Ordnung und ich habe, die, die mit mir durchs Leben gegangen sind, auf Augenhöhe behandelt.


Der Film "Weißt du noch" kommt am 20. September in die Kinos.

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