Wenn das Handy im Zuschauerraum klingelt

Ein Opernfilm tritt aus der Leinwand: Axel Ranischs Projekt im Theatinerkino
von  Adrian Prechtel

Ein Opernfilm tritt aus der Leinwand: Axel Ranischs Projekt im Theatinerkino

Um dieses Festival-Projekt zu beschreiben, braucht es viele Elemente: Da ist Woody Allens Idee, einen Schauspieler von der Leinwand in die Wirklichkeit steigen zu lassen, weil eine Zuschauerin (Mia Farrow) sich in ihn verliebt hat. Da gibt es den Opern-Einakter von Francis Poulenc „Die menschliche Stimme“, der in einer ungesungenen Version von Roberto Rosselini mit Anna Magnani verfilmt wurde: die Geschichte einer Frau, die am Telefon, hysterisch, angstvoll, verzweifelt versucht, den Kontakt zu ihrem Ex aufrecht zu erhalten.

Und dann gibt es noch William Waltons Opern-Einakter „The Bear“ nach Tschechow: Eine Witwe wird von einem Schuldeneintreiber ihres treulosen Mannes bedrängt. Dieses Werk ist als Stummfilm, aber mit dem Gesang auf der Tonspur, im Theatinerkino zu sehen. Dann aber klingelt ein Handy im Kino-Zuschauerraum. Und das Bizarre passiert: Wir Zuschauer werden ungehalten, aber auch die Akteure im Film werden stutzig – und die Sopranistin Stefanie Braun beginnt das Poulenc-Spiel zu singen. „Die menschliche Stimme“ wird sich ab jetzt live mit dem „The Bear“-Film abwechseln und ineinander übergehen. Denn der Diener der Witwe im „Bear“-Film (ebenfalls Stefanie Braun) tritt im Film aus der Tür und betritt dann live im Kino als lebende Requisite das live-gesungene Telefon-Drama.

Staatsopernintendant Nikolaus Bachler hat den 30-jährigen Filmregisseur Axel Ranisch dieses Projekt machen lassen. Kenengelernt haben die beiden sich, nachdem Bachler auf den Ranisch-Film „Dicke Mädchen“ gestoßen war: gedreht mit nur 504 Euro Budget und dennoch vielfach Festival-prämiert – sogar für’s Drehbuch, obwohl ohne Drehbuch gedreht worden war.

Wer jetzt die zwei Stunden Kino-Oper in Münchens schönstem Kino mitmacht, geht amüsiert nach Hause: Er hat eine stimmlich hart-intensive, und intensiv spielende Stefanie Braun erlebt, deren Verlassenheits-Seelendrama durch die Komik der Interaktion mit Walton-Tschechow-„Bear“-Klamauk merkwürdig durchbrochen wird. Und das alles in einem surrealen Spiel zwischen Leinwand und Live-Oper. Rätselhaft bleiben aber nicht die beiden Stücke, auch nicht ihre technische Verzahnung, sondern ihr inhaltlicher Zusammenhang. Aber dieses intime Kino-Opern-Projekt ist als Kunst-Mischform so originell, das man es als Idee weiterspinnen sollte.

Heute 20.30 Uhr, Theatiner Lichtspiele, Theatinerstraße 32, 19 Euro, Tel. 2185 1920

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