Wenn alte Sagen erwachen: Regisseur Tommy Krappweis im Interview

Der ehemalige Polizei-Psychologe Stefan Schwab (Michael Kessler) will eigentlich Ruhe und Abstand zum Job finden. Auch die Trennung von seiner Frau Susanne (Bettina Zimmermann) hat er noch nicht ganz verarbeitet. Auf Bitten seines alten Freundes, Kommissar Falbner (Jürgen Tonkel), fährt er aber zurück nach Bayern. Denn Falbner ist überfordert.
Ein Ermittler-Team voller Witz und Spannungen
Es häufen sich die Fälle von verschwundenen Kindern – und es gibt Hinweise auf eine alte Sage. Bald schon bildet Schwab mit seiner Ex, deren Lebensgefährten Pfarrer Franz Hartl (Peter Ketnath) und der resoluten Polizistin Anna Leitner (Bettina Lamprecht) ein Ermittler-Team voller Witz und Spannungen.
Die Serie "Kohlrabenschwarz", ein wilder, unterhaltsame Mix aus Heimatkrimi, Mystery und in die Neuzeit geholten Volkssagen stammt von Tommy Krappweis. Nun hat Paramount die Hörspielserie verfilmt.
Herr Krappweis, wieso spielen Sie nicht mit. Es gibt Sie doch auch im Hörspiel?
Tommy Krappweis: Das stimmt, aber ich habe mich beim Hörspiel nicht darum gerissen mitzuspielen, ich war halt da und relativ preisgünstig (lacht). Für die Verfilmung wollte ich die "Band" unbedingt zusammenhalten. Aber Jürgen Tonkel konnte unmöglich eine so große Rolle wie den Pfarrer spielen, weil er mit den Arbeiten für "Der Chefin" schon gut ausgelastet war, das war im gleichen Drehzeitraum. Ich dachte mir, jetzt haben wir 16 Folgen Hörspiel mit Jürgen gemacht, er musste bei der Verfilmung dabei sein und spielt nun Schwabs alten Freund, Kommissar Falbner. So konnten wir den Pfarrer Franz Hartl, mit Peter Ketnath als Reinkarnation des jungen Clint Eastwood noch konträrer besetzen. Er und Michael Kessler sind schon ein geiles Paar.
Ein Polizeichef mit Humor
Das Paar wird vom misanthropischen Polizeichef Kroiss, gespielt von Axel Milberg, als "Don Camillo und Sigmund Freud" verspottet.
Ja, Wortwitz hat er! Jedes Mal, wenn ich das Material vom Drehort gesehen habe, war ich völlig begeistert, wie toll Axel Milberg ihn spielt. Man denkt nicht eine Sekunde an Borowski. Er bringt nicht nur die Arschlochhaftigkeit der Rolle rüber, er verwandelt auch jeden Gag treffsicher.
Fantasy, Horror und Humor bilden eine recht rare Mischung.
Der aktuelle "Dungeons und Dragons" Film mischt das auch sehr gut, aber die Mischung ist generell eher selten. Terry Pratchett hat bewiesen, dass es in Buchform funktioniert. Beide Beispiele haben allerdings eine deutlichere Comedyausrichtung als wir.
So kam es zur Hörspielserie
Wie kam es überhaupt zur Hörspielserie?
Die Entstehungsgeschichte war eigentlich bizarr. Ich hatte gerade mit Michael Kessler, "Bill Bo und seine Bande" als Hörspiel umgesetzt, mit Martin Schneider als Bill Bo und vielen anderen tollen Kollegen. Das war so lustig, dass Michael und ich beschlossen haben, weiter etwas gemeinsam zu machen. Michael hatte dann die Idee, irgendwas mit Mystery und Märchen zu machen und dann haben wir uns die Konstellation Pfarrer und Seelsorger als Ermittler überlegt, auch, um nicht wie in jeder Krimiserie andauern Revierszenen zu haben. Wir haben nicht länger als eine halbe Stunde über das Konzept gesprochen, Michael musste zum Zug und ich habe noch in der gleichen Nacht angefangen, die Storylines zu schreiben. Wenige Tage später kam schon von Audible grünes Licht, daraus eine Hörspielreihe zu machen.
Sie waren schon vorher Spezialist für bayerische Sagen?
Nein, ich habe mich zusammengetan mit Christian von Aster, der auch Fantasy schreibt und den ich schon sehr lange kenne. Der hat meine rohen ersten Ideen ausformuliert. Er ist auch auf den Kraxelmann gestoßen.
Die Serie spart nicht mit grausamen Szenen.
Volkssagen sind immer schon grausam gewesen, die sollten ja oft im Sinne der "Schwarzen Pädagogik" Angst verbreiten.
Aber Sie mussten diese nun visualisieren. Was würden Sie denn Eltern als Altersfreigabe empfehlen?
Wir haben so gedreht, als wäre es eine Altersfreigabe ab 16 Jahren. Ich finde die Serie für jüngere Kinder unangemessen. Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass Zehnjährige von Kinderfängern träumen, die einen Löffel im Hals stecken haben. Ich hatte selber als Kind auch Angst vor dem "Struwwelpeter"-Buch, davor habe ich mich wirklich gegruselt. Ich bin auch kein Horrorfilm-Fan. Aber ich mag es, wenn alte Geschichten erwachen und sich erneut manifestieren. Da bin ich natürlich vorgeprägt, weil ich schon bei "Mara und der Feuerbringer" Mythologie ins Hier und Jetzt gebracht habe.
Alte Sage treffen auf reale Mordfälle
Nun verknüpfen Sie alte Sagen auch noch mit dem berühmten, realen Mordfall Hinterkaifeck, warum?
Weil es geht! Man muss nur der Sage vom blutigen Thomas einen kleinen Push in diese Richtung geben und plötzlich gewinnt das uralte Ding eine ganz andere Relevanz. Und da meines Wissens auch keine Hinterbliebenen der Opfer darunter leiden müssen, dass man die Geschichte neu erzählt, kann man das auch machen. Ansonsten wäre ich da sehr vorsichtig. Ich sehe auch diesen "True Crime"-Boom mit einer gewissen Skepsis, weil ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass immer die Gefahr besteht, die Täter zu glorifizieren und Opfer zu retraumatisieren.
Auch als Beziehungsfilm hat "Kohlrabenschwarz" einiges zu bieten.
Das haben wir für die Serie noch weiter ausgearbeitet. Im Hörspiel ist es schon so, dass Susanne und der Schwab in verschiedenen Universen ohne Wurmlochverbindung wohnen. Das konnte nie funktionieren. Aber Anna Leitner hat sofort einen Draht zu ihm, obwohl er so stoffelig ist, vielleicht auch, weil er so stoffelig ist? Der Schwab kann halt mit fremden Menschen sehr gut umgehen, aber je näher sie ihm kommen, desto stoffeliger wird er. Ich würde nicht sagen, dass das mit allen Diplom-Psychologen so ist.
Ihre Frau ist ja Diplom-Psychologin.
Genau und sie hat schon an der Hörspielserie mitgeschrieben. Sophia hat auch im wesentlich alle Szenen, in denen Stefan Schwab als Psychologe arbeitet, verfasst. Und sie hat auch die Romanfassung geschrieben.
Teurer als eine Folge "Tatort"
Mystery ist nicht die günstigste Art, Fernsehen zu machen.
Wir sind deutlich teurer pro Folge als ein "Tatort", aber liegen im gesunden Mittelfeld, was Serien für Streamingdienst in Deutschland angeht. Wir haben sehr genau aufs Geld geschaut, aber eine gewisse Ausstattung brauchst du natürlich in diesem Genre. Wir haben genau kalkuliert, aber dann gab es urplötzlich nach dem Beginn von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine diese krasse Inflation. Wir hatten auch geplant, einige Sets im Studio zu bauen, was nun nicht mehr möglich war, sich aber als Vorteil entpuppte. Denn alles, was man in der Serie sieht, ist echt. Wir haben in Rothenburg ob der Tauber, dank der Tourismusbehörde fantastische Orte gefunden, zum Beispiel einen alten Kerker, in den man normalerweise gar nicht reinkommt. Ich denke, das kommt der Serie zugute. Weil es nicht aussieht, wie diese typische, gelernte Fantasy-Ästhetik. Wir haben echte Höhlen mit echter Patina, ein echtes Bergwerk in Schwaz in Österreich. Der Nachteil war, dass wir keine zwei Tage an einem Ort gedreht haben. Das war schon krass.
Potenzial für sechs Staffeln
Für wie viele Staffeln hätten Sie denn Potenzial?
Ich denke, man könnte sechs Staffeln à sechs Folgen drehen, das Material an deutschen und europäischen Sagen ist ja schier unerschöpflich. Wir haben auch schon die dritte Staffel für die Hörspielreihe fertiggeschrieben, wir kommen bislang nur nicht dazu, sie im Studio aufzunehmen.
Das schönste Produkt bringt leider nichts, wenn man es nicht sehen kann, weil man kein Paramount plus-Abo hat.
Die Interessenten können doch im Gratis-Abo Zeitraum "Kohlrabenschwarz" bingen, und dann werden sie feststellen, dass es noch eine Menge interessanter anderer Inhalte bei Paramount gibt. Da wird es einem so schnell nicht langweilig.
Die sechsteilige Serie "Kohlrabenschwarz" ist ab 8. Juni beim Streamingdienst Paramount plus abrufbar.