We, the black people
Manchmal kommt man sich als deutscher Kinozuschauer wie ein Bürger des 51. Bundesstaates der USA vor. Spielbergs „Lincoln“ war so ein Fall: Da wird perfekt, spannend und mit großer schauspielerischer Leistung Geschichte erzählt, aber gegen Ende entgleiten diese Filme immer in platten, sentimentalen US-Patriotismus.
Wieder – und das ist gerade ein Trend im amerikanischen Kino – geht es um das Rassen-Thema: Erzählt wird von Cecil Gaines, der von 1957 bis 1986 im Weißen Haus als Butler diente und so sieben Präsidenten im Zwischenspiel aus Privat- und Politiksphäre erlebt.
Hieraus bezieht der Film – bei aller Ernsthaftigkeit – oft sogar einen gewissen Witz: so wenn Nixon vom Klo aus telefoniert und Anweisungen gibt, wenn Nancy Reagan die Hosen anhat und eigentlich – auch über Astrologen – regiert.
Man erlebt, welche Präsidenten sich überhaupt für ihr Personal interessierten: Kennedy hatte den liebenswürdigsten, offensten Stil. Nach dem Attentat versuchte noch Johnson mit seinen schwarzen Angestellten ins Gespräch zu kommen. Und Reagan lädt völlig vorurteilsfrei als erster seinen schwarzen Major Domus an die Festbankett-Tafel ein. Aber – und das ist die Ironie – er ist der Präsident, unter dem Gaines nach 30 Jahren um seine Entlassung bittet. Er erträgt nicht, wie dieser Präsident den Apartheidsstaat Südafrika und überhaupt Unrechtsregime unterstützt.
Einen Spannungsbogen bezieht „Der Butler“ aus der sich immer weiter subtil verstärkenden Politisierungslinie. Im Zentrum der Macht gilt für Angestellte die hier besonders bizarre, ausgesprochene Devise: „Im weißen Haus gibt es keinen Raum für Politik!“
Und Gaines – traumatisiert von seinen Kindheitserlebnissen, als seine Mutter vom Plantagenbesitzer vergewaltigt und sein Vater erschossen wird, als er verängstigt das Verbrechen anspricht – will unauffällig unpolitisch bleiben. „Ich bemühte mich, dass meine Kinder die Baumwollfelder nie zu Gesicht bekamen!“, sagt er lange – er will sie abschirmen, ein farbenblindes amerikanisches Mittelklasseleben führen. Aber es kommt die Zeit, in der man doch Farbe bekennen muss, als Martin Luther King friedlich protestiert und Gaines’ Sohn sich an den gefährlichen zivilen Ungehorsamsprojekten gegen die Rassentrennung im Süden beteiligt.
Am Ende des amerikanischen Traum-Films steht die Wahlnacht des ersten (halb!)-schwarzen Präsidenten. Und in einer emotionalen Szene legt Forest Whitaker als alter Cecil Gaines eine Krawatte Kennedys an, die Jackie ihm nach dem Mord am Präsidenten geschenkt hatte.
Das alles ist perfekt inszeniert, klassisch spannend und rührend. Aber wenn man genauer hinschaut, kommen einem auch Zweifel: da wird das Baumwollpflücken postkarten-idyllisiert, tobt kitschig ein nächtliches Gewitter, das wie in einer Edgar Allen Poe-Persiflage einen Lynchgalgen aufblitzen lässt: Das ist Kitsch.
Wenn der – durchaus zweifelhafte – Malcolm X zum bewaffneten Kampf gegen weiße Gewalt aufruft, legitimiert der Film prompt die Black Panther-Bewegung, indem die junge, schöne Anhängerin gleich auch als sexual-moralisch unzuverlässig und ordinär gezeigt wird.
Damit fährt „Der Butler“ eine allzu brave Gut-Böse-Trennungslinie. Regisseur Lee Daniels hatte bei seinem Oscar-Triumph-Film „Precious“ über Aids, Übergewicht und Chancenlosigkeit seiner schwarzen Ghetto-Protagonistin noch radikaler gearbeitet. Dass „Der Butler“ ein konsequenter Gutmenschen-Film bleibt, hat auch alle Superstars zum unbeschwerten Mitmachen gewonnen. Dabei ist die linke Bürgerrechts-bewegte Jane Fonda als Nancy Reagan sicher besonders originell.
Kino: Eldorado, Münchner Freiheit, Royal, CinemaxX, Mathäser (auch OV) sowie Cinema (OV), R: Lee Daniels (USA, 130 Min.)
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