Was ist die menschliche Natur?

Unangekränkelt von Moral und Moderne: „Macbeth“ in einer britischen Verfilmung von Justin Kurzel um die Geschichte Macbeths als er fälschlicherweise eine Hexen-Prophezeiung als Möglichkeit zur Machtergreifung interpretiert.
Adrian Prechtel |
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Die Macht der Frauen konnte sich Jahrhunderte lang nur über die Männer Bahn brechen. Das härteste Beispiel ist die Geschichte Macbeths, eines frühmittelalterlichen schottischen Heeresführers vor tausend Jahren. Von seiner Frau getrieben und von ihrer beiden Hoffnung auf die glänzende Königskrone geblendet, versteht er die heidnische Hexen-Prophezeiung falsch als positiven Freibrief zur Machtergreifung.

Der raffinierte Dramatiker und Figurenzeichner William Shakespeare brauchte um 1600 noch keine starke Psychologisierung, um diesen Willen zur Macht als Triebkraft zu motivieren. Er war menschlich selbstverständlich!

 

Intensiver als bei Shakespeare

 

Heute aber arbeitet Regisseur Justin Kurzel zwei Ebenen stärker heraus als bei William Shakespeare angelegt: Der Film beginnt mit einer Beerdigung eines Babys: Macbeth und seine Frau haben ihr Kind verloren. Und es ist diese Leerstelle, die sie nicht zu einer Familie werden, sondern ihre Energie auf die Königsmacht richten lässt. Und da ist noch die historische Interpretation des Filmes, was das Christentum betrifft: Als Macbeth 1040 die ständigen Macht-Schlachten für sich entschied, war das Christentum emotional und gesellschaftlich noch nicht verinnerlicht. Hier wird Gott noch magisch angerufen, und nicht um Liebe und Gerechtigkeit, sondern um Blut und Macht!

 

Ästhetisch spürbar: Die Archaik des Frühmittelalters

 

Auf dieser Grundlage erzählt der Film die shakespearsche Geschichte klar, linear und mit archaischer Wucht. 1995 hat Mel Gibson mit „Braveheart“ für die filmische Schlachtenmalerei Maßstäbe gesetzt, den Zuschauer in das Getümmel zu versetzten. Hier steht Kurzel nicht nach. Aber anders als Hollywoods Illusionsmaschinerie, ist hier auch das Ziel spürbar, ästhetisch die Archaik dieses nördlichen Frühmittelalters spürbar zu machen: festliche Zelte und Bankette rotgoldglänzend im Fackel- und Kerzenschein neben keltischer Kriegsbemalung und eisgrauem Schwertereisen in nasskalter Landschaft – ein Zusammenprall nicht nur menschlicher Natur und oft blutgetränkter Kultur.

Modern mutet dabei allenfalls die Charakterisierung des Ehepaars an: Michael Fassbender als anfangs fast weicher Mann und Marion Cotillard als Strategin, die sich nicht mehr unter Kontrolle bringen lässt und ihre erotische Macht über ihren Mann einsetzen kann.

So ist diese Verfilmung des Shakespearestoffes kein intellektueller Versuch, die alte Geschichte vom Machttrieb, der über Leichen geht, in direkte Verbindung zum Heute zu bringen. Es bleibt eine beispielhafte, historisch entrückte Parabel. Aber eine durchaus packende.

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