Was bilden Sie sich eigentlich ein?! Das fantastische Team Engelke, Wortmann und Dohnányi

Sönke Wortmanns fantastische Real-Satire über unsere bundesdeutschen Wohlstandsneurosen: "Frau Müller muss weg" mit Engelke und Dohnányi 
Adrian Prechtel |
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Sönke Wortmanns fantastische Real-Satire über unsere bundesdeutschen Wohlstandsneurosen: "Frau Müller muss weg" mit Engelke und Dohnányi 
Erinnern Sie sich noch an Kanzler Schröders Beitrag in einer Schülerzeitung über Lehrer? „Ihr wisst doch ganz genau, was das für faule Säcke sind.“ Das war schon damals, 1995, populistisch ungerecht, brachte aber Sympathien. Denn Schul-Bashing ist ja ein Lieblingssport der Deutschen, weil jeder – nur weil er selber mal auf der Schulbank saß – meint pseudoqualifiziert mitquatschen zu können.

Wortmanns satirisch verdichtetes Panoptikum

Sönke Wortmann hat nun das Theaterstück von Lutz Hübner „Frau Müller muss weg“ wunderbar verfilmt. Es ist ein genial real-satirisch verdichtetes Panoptikum bundesrepublikanischer Befindlichkeit. Es geht um einen außerordentlichen Elternabend einer Übertritts-Grundschulklasse in Dresden. Was die Klassenlehrerin nicht weiß: Die Eltern haben sich zuvor verabredet, Frau Müller zum Rücktritt als Klassenleiterin zu zwingen: Die Noten der geliebten, natürlich allesamt unschuldigen Sprösslinge sind zu schlecht! Und der Fehler liegt natürlich bei der Schule, nicht am Zeitmangel, Erziehungsversagen oder gar mangelnder Intelligenz der eigenen Schrazen.

Normalo-Ossis gegen Biosupermarkt-Wessis

Anke Engelke spielt die selbsternannte, fordernde Elternsprecherin. Aber bereits zum Elternabend sind einige Mitstreiter aus Feigheit abgesprungen. Eine andere hat einfach mal Blumen für Frau Müller mitgebracht, „weil man ja nicht unnötig grausam“ sein müsse. Bald ist klar, dass die unterschiedlichen Charaktere, Sozialmilieus und Interessenlagen für Sprengstoff sorgen werden: sympathische Normalo-Ossis gegen Bio-Supermarkt- und SUV-Wessis („Hier ist Ausland!“), triumphierende Klassenbeste-Mutter gegen realitäts-blinde Versagerkind-Eltern, Überehrgeizige mit schlechtem Gewissen gegen Wir-machen-alles-richtig-Väter. Hierhinein sind hochkommende alte Schultraumata (in der Turnhalle) gemischt, aufkommende amouröse Verstrickungen und sogar Krimi-Elemente, wenn die tief getroffene Lehrerin plötzlich verschwindet. In Jean-Paul-Sartres „Geschlossener Gesellschaft“ stellt sich auch heraus: „Die Hölle? Das sind wir“. Aber Wortmanns Komödie ist dabei natürlich lässiger und heiterer.

Wie Sartres "Geschlossene Gesellschaft" und Polanskis "Gott des Gemetzels" - nur deutsch

Das alles ist hier auf einem vergleichbaren Niveau wie Polanskis thematisch ähnlichem „Gott des Gemetzels“ nach Yasmina Rezas Erfolgsstück. Am Ende haben sich alle bloßgestellt und zerlegt, Lebenslügen, Enttäuschungen, Neid und Komplexe sind ans Licht gekommen. Der Film nutzt die Entlarvungskämpfe zu geistreichen Wortgefechten, zu Tragikomik, sogar Slapstick, ohne jemals lächerlich oder oberflächlich zu sein. Das ist die große Kunst der Komödie: Wahrheiten zu enthüllen, den Zuschauer als Voyeur zu amüsieren, aber am Ende hat er lachend einen Spiegel vorgehalten bekommen. Und die Lehrerin?

Sie ist in ihrem Engagement und ihrer Sympathie für ihre Schüler die eigentliche Heldin - und bestimmt nicht faul.

Kino: Eldorado, Mchn. Freiheit, Cinemaxx, Mathäser, Rio, Solln R: Sönke Wortmann nach dem Theaterstück von Lutz Hübner (D, 87 Min.)

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