Kritik

Warum ist die Sommerkomödie "Zwei zu eins" nicht wirklich lustig?

Liebestrio im Geldspeicher: Die Wendezeit-Komödie von Natja Brunckhorst basiert auf einer tollen Idee, ist aber weder komisch noch brisant, sondern lediglich amüsant
von  Adrian Prechtel
Ihre Region wird gerade deindustrialisiert, aber der Sommer 1990 hat trotzdem seine leichten, fröhlichen Tage: Diese Stimmung strahlt "Zwei zu eins" aus: Sandra Hüller (l.) und Max Riemelt (r.). Foto: X Verleih
Ihre Region wird gerade deindustrialisiert, aber der Sommer 1990 hat trotzdem seine leichten, fröhlichen Tage: Diese Stimmung strahlt "Zwei zu eins" aus: Sandra Hüller (l.) und Max Riemelt (r.). Foto: X Verleih © X Verleih

Achtung, Staccato-Geschichtsstunde: Die Mauer fällt, SPD-Oskar Lafontaine erklärt in Verkennung der Gemütslage, ihm sei egal, mit welchem Autokennzeichen DDR-Bürger nach Spanien fahren könnten. Kohl macht im Wahlkampf alles mit Plakaten platt, der real gerade noch existierende Sozialismus ist in Deutschland nicht mehr zu retten.

Dann die Frage der Kapitalisierung: D-Mark oder Mark? Massen drohen bei Demos mit dem Exodus: "Kommt die DM nicht zu uns, kommen wir zu ihr!". Man einigt sich auf den Wechselkurs "Zwei zu eins".

Und genau hier - 1990 im vor der Deindustrialisierung stehenden Halberstadt, Sachsen-Anhalt - setzt die Komödie von Natja Brunckhorst ein. Komik-Lieferanten sind in dieser Stunde Null Ostdeutschlands natürlich auch die Vopos, also die Volkspolizisten, die ihre Autorität als Vertreter einer untergehenden Staatsmacht eingebüßt haben und orientierungslos sind.

Wendegewinnler und Entsafter

Das gilt auch für das Wachpersonal der NVA, das etwas verloren auf einem militärischen Sperrgebiet in unterirdischen Stollen und Bunkern das Endlager der jetzt wertlosen DDR-Geldscheine bewacht: Banknoten im Wert von etwa 100 Milliarden Mark, also 50 Milliarden DM.

Ist das Geld wertlos? Der Clou des Films besteht darin, dass westliche Wendegewinnler (wie Olli Dittrich im Mercedes-Kombi) jetzt gegen harte D-Mark den Ossis alle nur vorstellbaren Haushaltsgeräte verkaufen. Und: Sie können als einzige noch Ost-Mark annehmen und als Wirtschaftsunternehmer im Westen in D-Mark umtauschen. Also kann man doch noch Millionär werden, wenn man genügend alte Markscheine auftreibt und in einem kalkulierten Konsumrausch alle

© X Verleih

 

Kühlschränke, Staubsauger, Kaffeemaschinen, Entsafter, Fensterputzsets oder Fernseher anschafft.

Und das versuchen Sandra Hüller, Max Riemelt und Ronald Zehrfeld im Trio, das auch amourös brisant verbunden ist: Zehrfeld ist der nach drüben gemacht habende Rückkehrer und Ex von Maren (Hüller). Die hatte vergeblich darauf gewartet, von ihm aus Ungarn ein Zeichen zu bekommen, ist geblieben und jetzt mit dem etwas melancholischen, heimatverbundenen Robert (Riemelt) zusammen. Und eine Tochter gibt es aus der Übergangszeit auch noch.

Keine Dagobert-Duck-Szene im Geldspeicher

Spannung und Action könnten entstehen durch den Coup, im militärischen Sperrgebiet des "Komplexlager 12" in unterirdischen Gängen endgelagerte Mark-Scheine zu stehlen. Aber hier schwächelt der Film ein wenig: Die Szene, als man die gigantischen Geldhaufen im unterirdischen Speicher findet, ist verschenkt, denn das kapitalistische Dagobert-Duck-Gefühl ist hier eine eher laue Kicher-Alberei.

Und als noch ein paar ewig-gestrige, linientreue DDR-Wachoffiziere mit verinnerlichtem Schießbefehl die Verfolgung durch die Gänge aufnehmen, merkt man, dass sowas Hollywood drei Stufen besser kann, was Timing und Schnitt anbelangt.

Die Schauspieler können so nicht zur Bestform auflaufen

Überhaupt macht Brunckhorst, die auch das Drehbuch schrieb, aus ihrer tollen Grundidee und guten Einfällen zu wenig, indem sie nie wirklich dramatisch und auch nie befreit komisch wird, sodass das ganze zwar insgesamt durchaus amüsant ist, aber weder komisch noch brisant. Und die Schauspieler um den deutschen Weltstar Sandra Hüller können unter diesen Umständen nicht zur Bestform auflaufen.

Witzig sind auch ein paar Hintergrundinformationen, zum Beispiel über 200- und 500-Ostmarkscheine, die als Rücklagen zwar gedruckt, aber nie im Umlauf waren. Schön ist auch, dass die östliche Provinz zwischen Bangen und Hoffen hier nie in Tristesse versinkt, sondern sommerliche Feierlaune und grillende Innenhoffröhlichkeit herrscht, ohne zu vergessen, dass hier bald auch Infrastruktur beerdigt wird, die sich nur der Osten leisten wollte: mit Tante-Emma-Läden, Stadt- und Dorfkneipen, staatlich bezahlten Unterhaltungsbands und einer Verkehrsanbindung jenseits der Frage nach der Rentabilität.

"Zwei zu eins" romantisiert dabei den Sozialismus Gott sei Dank nie, aber die Quittung für Gemütslagen, die in abgehängten Landstrichen entstehen, bekommt man ja aktuell auch politisch. Gegen diese Depression hilft diese passable Sommerkomödie jedenfalls.

Kinos: Arri, Astor im Bayerischen Hof, City-Atelier, Sendlinger Tor, Solln, Leopold, Mathäser, Monopol, Neues Rex, Rio
Regie: Natja Brunckhorst
(D, 116 Min.)

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.