Vom Muffel zum Heiligen: Bill Murray in "St Vincent"

Bill Murray wird in „St. Vincent“ vom Kotzbrocken zum Familienmenschen und wir Zuschuer brauchen auch ein Taschentuch
von  Adrian Prechtel

Bill Murray wird in „St. Vincent“ vom Kotzbrocken zum Familienmenschen und wir Zuschuer brauchen auch ein Taschentuch

Bill Murray, seit „Lost in Translation“ unbestritten Kult, präsentiert sich in Höchstform als „Grumpy Old Man” mit Schlabberhemd und -hose im Arbeitermilieu. Der mürrische Vietnamveteran mit Hang zu Verwahrlosung, Hochprozentigem und einer hochschwangeren russischen Prostituierte, bei der er „anschreiben“ darf, ist ein Kotzbrocken. Nur bei seiner Perserkatze zeigt er einen Hauch von Gefühl, krault sie fast verschämt.
Die unerwartete Wandlung vom zynischen Vincent zum guten St. Vincent mit Heiligenschein und Familiensinn erzählt der Ex-Werbefilmer Ted Melfi als witzig-ernsthafte Komödie mit ein bisschen Wehmut, auch wenn er das Genre nicht gerade neu erfindet.
Mit der Ruhe vor der abgewohnten Hütte ist es aus, als beim Einzug der Neu-Nachbarin ein Ast auf Vincents Rostlaube kracht, der sich diebisch freut, dafür ein paar Dollar abkassieren zu können. Und da die alleinerziehende Krankenschwester einen „Babysitter“ braucht, erklärt sich der Eigenbrötler bereit, ihren Junior stundenweise unter die Fittiche zu nehmen. Statt dem Zwölfjährigen bei den Hausaufgaben zu helfen, schleppt er ihn auf die Pferderennbahn, lehrt dem schüchternen Buben das Boxen und ermutigt ihn, sich nicht gefallen zu lassen, wenn ihn die Mitschüler mobben.

Nicht nur Naomi Watts, Bill Murray und Melissa McCarthy spielen grandios

Nicht nur der junge Jaeden Lieberher in seiner ersten Filmrolle überzeugt, auch das Damendoppel ist nicht ohne. „Diana“ Naomi Watts mimt lustvoll die prollige Prostituierte mit Herz und Melissa McCarthy beweist als überforderte Mutter, dass sie mehr kann als nur herum zu krakeelen wie in „Taffe Mädels“. Das Duo zähmt den Haudegen, der am Ende in einer anrührenden Szene vom Ziehsohn im Schultheater zum Heiligen des Alltags gekürt wird. Das überraschend reife Regiedebüt spielt souverän auf der Klaviatur der Gefühle von Lachen und Weinen, bestätigt mal wieder, dass Katzenliebhaber gute Menschen sind. Auch wenn sie sich als Griesgram tarnen. Taschentücher nicht vergessen!  

Kino: Cadillac, Cinemax, Eldorado, Gabriel, Münchner Freiheit, Atelier (OmU) und Cinema, Museum (OV)

B&R: Ted Melfi (USA, 102 Min.)

 

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