Volker Schlöndorff: Wem habe ich wehgetan?

Volker Schlöndorff über Erinnerungen, Fehlentscheidungen und politisches Engagement und seine "Rückkehr nach Montauk".
von  Margret Köhler
Volker Schlöndorff beim Dreh.
Volker Schlöndorff beim Dreh. © Wild Bunch Germany

Der Wiesbadener Volker Schlöndorff, Jahrgang 1939, ist Regisseur, Drehbuchautor und Produzent. Seine bekanntesten Filme sind "Die verlorene Ehre der Katharina Blum", "Deutschland im Herbst", "Die Blechtrommel", "Homo Faber." Nach "Homo Faber" vor 25 Jahren nähert sich Volker Schlöndorff erneut Max Frisch (1911–1991). "Rückkehr nach Montauk" ist eine Hommage an seinen Schriftstellerfreund und losgelöst von dessen Betrachtung einer verlorenen Liebe. Der Film fragt nach der Möglichkeit einer zweiten Chance.

AZ: Herr Schlöndorff, am Anfang erzählt Stellan Skarsgård als Schriftsteller Max Zorn über das, was das Leben prägt: "Dinge, die wir getan haben und bereuen, und jene, die wir bedauern, unterlassen zu haben."
VOLKER SCHLÖNDORFF: Dieser Text ist nicht von Max Frisch, sondern vom Co-Drehbuchautor Colm Toibín und war für seinen neuen Roman gedacht. Ich fand den Text aber so toll, dass wir ihn im Film eingebaut haben. Trotz der Warnung, ein fast zehn Minuten vor der Kamera redender Mann ginge nicht auf der Leinwand. Aber es handelt sich um einen Schriftsteller, und da muss man zeigen, wie er mit Worten umgeht. Wie Frisch frage ich mich auch, habe ich anderen Menschen wehgetan, jemanden schlecht behandelt?

Sie kennen dieses Gefühl: Was wäre, wenn ich...?
Im Berufsleben trifft man dauernd Fehlentscheidungen. Aber bei der Verbindung zu einem anderen Menschen geht das besonders nahe. Das fängt schon bei den Eltern an, zum Beispiel: Warum habe ich mit meinem Vater nie über ein bestimmtes Thema gesprochen? Und ganz konkret frage ich mich, warum habe ich mich eigentlich von Margarethe von Trotta getrennt. Wir verstehen uns heute wunderbar, aber damals war es unmöglich, auch nur in einem Raum zu sein. Zwei Jahre lang. Warum? Man kann nie sagen, es war ein Fehler. Aber vielleicht kann man gar nicht anders. Bei gefährlichen Liebschaften heißt es oft: "It‘s beyond my Control".

Sind Sie sentimental?
Jedenfalls heule ich im Kino wie ein Schlosshund.

Glauben Sie nach 50 Jahren Filmemachens noch an die Kraft der Veränderung durch Kunst?
Ich bin ein politischer Mensch, auch wenn ich meinen Standpunkt geändert habe vom RAF-Sympathisanten zum Merkel-Unterstützer. Aber ich habe nur ein begrenztes Vertrauen, dass man durch Kunst, Aufrufe oder Demonstrationen wirklich etwas verändern kann. Die letzte Erfahrung war, als wir als kleines Grüppchen vor die russische Botschaft gezogen sind, um gegen die Bombardierung von Aleppo zu protestieren. Viel zu spät und viel zu wenig. Aber wir sagten uns, da muss man doch was tun. Diesen Impetus gibt es immer noch. Ich bin nicht resigniert, stelle nur fest, dass die meisten Ziele, für die man sich engagiert hat, sich in eine andere Richtung entwickelt haben. Aber immerhin haben wir 1980 mit dem Film "Der Kandidat" vielleicht die Wahl von Franz Josef Strauß zum Kanzler verhindert.

In New York drehten Sie im Guerillastil auf der Straße.
Wir verfügten über keine Drehgenehmigungen oder Komparsen. In New York laufen an jeder Kreuzung sowieso genug Leute herum, unter die man sich unauffällig mischen kann. Wenn man ohne Stativ und Beleuchtung arbeitet, kümmert sich kein Mensch um ein Filmteam. Man kann die Kamera laufen lassen, ohne groß zu diskutieren, und macht eben noch ein Take.

Stimmt es, dass Til Schweiger viel Geld beigesteuert hat?
Wir saßen bei einem Abendessen zufällig nebeneinander. Als ich ihm sagte, dass noch 400 000 Euro zur Finanzierung fehlten, versprach er mir per Handschlag die Summe. Er wollte einfach ein ehrgeiziges Projekt unterstützen, und ich hoffe, dass er das Geld mal wieder zurückbekommt.

Mit Edgar Reitz und Alexander Kluge sind sie einer der dienstältesten deutschen Regisseuren. Fühlen Sie sich als "Elder Statesman" oder als "Relikt"?
Weder noch. Ich habe das Gefühl wie bei einem Auto: Irgendwann stellt man den Tachometer wieder auf Null bei den Kilometern, und dann fahre ich wieder los. Das sind immer wieder Neuanfänge für mich mit Unterbrechungen. Arbeiten empfinde ich als etwas ganz Selbstverständliches.

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