Kritik

Viggo Mortensen und sein Western "The Dead Don't Hurt"

Wer den Western modernisieren will, darf nicht konservativ bleiben: "The Dead Don't Hurt"
von  Adrian Prechtel
Vicky Krieps und Viggo Mortensen mit dem Sohn in unsicheren Gefielden.  Foto: Marcel Zyskind / Alamode
Vicky Krieps und Viggo Mortensen mit dem Sohn in unsicheren Gefielden. Foto: Marcel Zyskind / Alamode

Nachdem der klassische Western der 30er bis 50er-Jahre mit John Wayne und Gary Cooper tot war, wurde er zigmal neu erfunden: wie mit dem Italowestern von Sergio Leone. Oder 1990 wollte Kevin Costner dann eine Umkehr des Blickes einleiten und die Sicht der Indigenen zum Bestandteil gemacht. Jim Jarmusch führte 1995 Johnny Depp als "Dead Man" in ein eher grattliges, bizarres Westernmilieu, und Tarantino thematisierte umsatzstark 2012 mit "Django Unchained" die Sklavenhaltung in den Südstaaten Mitte des 19. Jahrhunderts.

Viggo Mortensen lässt seinen "The Dead Don't Hurt" kurz danach spielen. Er ist Drehbuchautor, Regisseur und spielt auch selbst noch den dänischen Einwanderer Holger Olsen. Nach einem Drittel des Films verabschiedet er sich in den Amerikanischen Bürgerkrieg, um für Freiheit und gegen die Sklaverei zu kämpfen.

Der alle drangsalierende Mörder (li., Solly McLeod) trifft auf Olsen (Viggo Mortensen) und seinen Ziehsohn. .
Der alle drangsalierende Mörder (li., Solly McLeod) trifft auf Olsen (Viggo Mortensen) und seinen Ziehsohn. . © Marcel Zyskind / Alamode

Das verschafft im mittleren Drittel des Films dann Vicky Krieps den Raum zur Hauptfigur - als Frankokanadierin Vivienne, die mit Olsen ein neues Leben aufbauen will in der Wildnis des Westens, wo eben doch wieder alle Klischees aufgeboten werden: Der korrupte Bürgermeister (Danny Huston) von Elk Flats, der auch noch Immobilien- und Bankgeschäfte abwickelt sowie ein alle drangsalierender und von Gewalt, Alkohol und Syphilis zerrütteter Desperado und Spieler (Solly McLeod).

Gegen diesen Weston Jeffries wird - aus dem Krieg heimgekehrt - nur Olsen als Sheriff antreten, wenn auch nicht um zwölf Uhr mittags auf dem staubigen Stadtplatz. Gleich zu Beginn hatten sechs Leichen Jeffries Weg gepflastert.

Viggo Mortensen und Vicky Krieps als Liebespaar in "The Dead Don't Hurt".
Viggo Mortensen und Vicky Krieps als Liebespaar in "The Dead Don't Hurt".

Viggo Mortensen wollte den Western neu zu erzählen: weiblicher, diverser - aber er hat diese Ankündigung aber nur bedingt erfüllt.

Ist der Mann im Krieg, muss die Frau übernehmen und ist allein im rechtsfreien Raum des Wilden Westens. Vicky Krieps spielt diese Frau wunderschön in Balance aus geforderter Härte und doch Weiblichkeit. Sie verhübscht die karge Männerhütte für das gemeinsame Zusammenleben, verlangt von ihm, Bäume zu pflanzen.

Aber von einem weiblichen Western ist "The Dead Don't Hurt" weit entfernt. Denn gerade im kargen, harten Nevada der 1860er hätte man das klassische Mann-Frau-Schema mehr aufbrechen oder gar umdrehen müssen.

Und was Diversität anbelangt: Ja, die junge US-amerikanische Gesellschaft ist hier hispanisch, nordisch, französisch, chinesisch, jüdisch, und damit nicht nur weiß, angelsächsisch und protestantisch geprägt. Aber dass man 2024 nicht das Schicksal der aus ihrem Land verdrängten Indianer miterzählt, ist schade.


So bleiben schöne Landschaftsaufnahmen, der Verzicht auf einen reinen Rachefeldzug und eine sympathische Liebesgeschichte, bei der aber nicht klar ist, warum Vivienne ihren Mann so widerstandslos in den Krieg ziehen lässt. Da ist wieder die alte Macho-Geschichte von "Die Pflicht ruft". Und deren Grundlage ist psychologisch etwas unterbelichtet.

Am Ende steht Olsen mit Pferd und Ziehsohn am Strand des Pazifiks. Und der vielleicht achtjährige Sohn (Atlas Green) fragt, ob hier das Ende der Welt sei? "Dieser schon", sagt Olsen - und es klingt nach einem philosophischen Schluss. Aber eigentlich ist diese pathetische Aussage für den Film bedeutungslos. So bleibt ein der harten Story angemessen grausamer, klassischer Western, dem man den Blick der heutigen Moderne auf diese Zeit nicht anmerkt.

K: Leopold, City, Rio (alle auch OmU) sowie Monopol (OmU) und Museum (OV)
B&R: Viggo Mortensen (Can, Mex, DK, 129 Min.)

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