Viele Köche verderben den Brei: Disneys "Wish" lässt alle Wünsche offen
Disney feiert 100. Geburtstag, bewirbt den Jubiläumsfilm mit einer Best-of-Liste "von den Machern von..." und dann ist "Wish" – als 62. Disney-Meisterproduktion angekündigt – eine Enttäuschung und zwar auf allen Ebenen. Und wer nach anderthalb misslungenen Stunden doch noch den Abspann auf sich wirken lässt, ahnt warum: Vielleicht verderben zu viele Köche doch einen Disneybrei – angefangen von Dutzenden Storydoktoren und Charakter-Drechslern bishin zu zehn "Kultur"-Beratern.
Neuer Disney-Film "Wish": Cinemascope, Aquarell und Digitales
Ein südländisches Mädchen ist die Hauptfigur: Asha. Durch Wunschdenken gelingt es ihr eher zufällig, sich einen Stern als Verbündeten vom Himmel zu holen. Aber der ist in seiner babyhaften Zweidimensionalität so magisch wie ein Marshmallow und als Dauer-Smiley peinlich platt in der Welt des Mittelmeer-Inselkönigreichs Rosas. Denn in "Wish" mischt sich die aquarellige Disney-Zeichentradition nostalgisch mit digitalen Animationsmöglichkeiten zu einem ganz schönen Kosmos im breiten Cinemascope-Format.
Traditionell setzt auch "Wish" auf den Glamour-Charme der Märchen-Monarchie: Der Prinz ist hier schon ein junger König mit Zauberkräften - ein merkwürdiger Narziss, der seine Unsicherheit mit der Machtfassade kaschiert. Aber selbst sein Changieren zwischen Wohltäter und eitler Machtgier machen ihn nicht geheimnisvoll oder gar wirklich gefährlich, sondern nur lächerlich, was als Märchenbösewicht und Gegenspieler von Asha viel zu uninteressant ist. Da Helden – oder jetzt verstärkt auch Heldinnen – in ihrem Gutmenschentum oft langweilig sind, wird ihnen ein Gegentyp zur Seite gestellt. Dieser sogenannte Sidekick für Asha ist ein junger Ziegenbock. Aber der ist derart unanarchisch, dass nie Witz oder Reibung entsteht. Die könnte eine Gruppe Jugendlicher bringen.
Disney-Animationsfilm: Die Frage, worum es geht, sollte man sich besser nicht stellen
Aber ob sie Ashas Freunde sind oder nicht, wird in diesem albernen, kontur- und charakterlosen Haufen nicht klar. Und für den Fortgang der Handlung oder Spannungsentwicklung sind sie komplett entbehrlich: ein Faulpelz, ein Fresssack, ein Asha anhimmelnder Dämel – und alle ohne Witz.
Einer davon immerhin ist als Verräterfigur angelegt, aber er ist nichts weiter als ein blasser, verunsicherter Teenager, der sich mal wichtig und beachtet fühlen will. Mehr ist dem Disney-Megateam zum Junge-Sein nicht mehr eingefallen. Oder was hat es mit Ashas Vater auf sich? Er wird als Figur eingeführt und sofort wieder fallengelassen. Er starb, wird erzählt, als Asha 12 Jahre alt war. Aber auch das mögliche Trauma der Vaterlosigkeit bleibt für die Geschichte seltsam bedeutungslos.
Wer sich in all diesen dramaturgischen Fehlern und langweiligen Seichtheiten die Frage stellt, worum es in dem Film geht, was eigentlich Ashas Mission ist, gerät selbst als Erwachsener ins Stottern. Die Prämisse von "Wish" ist: Es ist unser größter Wunsch, der unsere Persönlichkeit definiert - "Ein Wunsch, der zeigt, wer Du bist". Aber dem Film gelingt es nie, diese abstrakte Idee zu materialisieren, in eine wirkliche Geschichte zu verwandeln. Was bedeutet es für die Menschen, dass König Magnifico die Wünsche seiner Untertanen als schwebende, seifenblasige Glaskugeln unter seine magische Herrschaft gebracht hat?
Wollen Menschen Sicherheit vor Freiheit?
Da Disneyfilme als Familienprogramm auch Erwachsene ansprechen will, gibt es oft reizvolle Meta-Ebenen. "Wish" deutet die interessante gesellschaftspolitische Frage an, ob Menschen bereit sind, für das Versprechen von Sicherheit ihre Freiheit aufzugeben. Aber der in der Geschichte gefangengehaltene Wunsch des Großvaters ist es, Musiker zu sein und damit Menschen zusammenzuführen. Das ist schön, aber nicht gerade weltbewegend und als treibende Kraft der Geschichte viel zu lasch.
Interessant dabei ist, dass "Wish" ganz kurz sogar etwas wagt: einen Volksaufstand gegen den ehemals guten König, der sich leider der schwarzen Magie ergeben hat. Aber diese revolutionäre Idee verwirft "Wish" gleich wieder, indem Magnificos ihm bisher immer unterwürfige Frau zur neuen Herrscherin wird. Die einzige Modernität besteht also darin, dass jetzt eine Frau das Königreich regiert. Eine verpasste demokratische Chance, die der Film ja sogar selbst aufgebaut hatte.
Flüchtlingsinsel und Demokratie: beides unterbelichtet
Das ist auch schade, weil sich in der zeitlosen Welt von "Wish" eine märchenhafte Mittelalterwelt mit modernen, multiethnischen Gesellschaftselementen mischt – inklusive Emanzipation. Und immerhin ist Rosas als Flüchtlingsinsel entworfen, wo Migranten Zuflucht finden und human aufgenommen werden. Aber auch aus dieser Tiefen-Chancen macht "Wish" nichts. Der Abspann läuft – und alle Wünsche offen.
Kino: Cadillac, Cinemaxx, Royal sowie Leopold (auch OmU) und Mathäser (auch OV und 3D) und Cinema, Museum (OV)
R: Chris Buck, Fawn Veerasunthorn (USA, 95 Min.)
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