Vergraben, verschwiegen, verdrängt: Spanischer Schwerpunkt auf dem Dok.Fest

Der schwierigen Aufarbeitung der jüngeren spanischen Geschichte widmet das Dok.Fest gleich mehrere Filme. Nach dem Tod des Diktators Francisco Franco im November 1975 gelang zwar die relativ unblutige Einführung der Demokratie mit den ersten freien Wahlen 1977, doch der politische Preis dafür war das Amnestiegesetz.
Niemand wurde für die Verbrechen während des Bürgerkriegs und der vier Jahrzehnte dauernden Diktatur zur Verantwortung gezogen. Schlimmer noch, Franco inszenierte sich als "Retter" und "Befreier" Spaniens, nachdem er mit einem Militärputsch 1936 der Zweiten Spanischen Republik den Krieg erklärte hatte. Und die besiegten Republikaner erlebten 1945 eine zweite Niederlage, als klar wurde, dass sich auf weltpolitischer Ebene niemand mehr für sie einsetzen würde.
"Franco on Trial. The Spanisch Nuremberg" von Lucia Palacios
Franco war nur kurzzeitig politischer Paria. Spanien wurde 1955 Mitglied der Vereinten Nationen, vier Jahre später besuchte US-Präsident Eisenhower das Land. Und bald flossen viele Dollars als Gegenleistung für die Bereitstellung von US-Militärbasen. Die Verbrechen des "klugen und überlegten Mannes" (Adenauer über Franco) interessierten im Westen niemanden und konnten in Spanien nicht artikuliert werden.
"Franco on Trial. The Spanisch Nuremberg" (9. Mai, 19 Uhr im Instituto Cervantes und 10. Mai um 18 Uhr im Filmmuseum) von Lucia Palacios und Dietmar Post zeigt eindringlich wie schwer der Kampf um die juristische Aufarbeitung ist. Die argentinische Richterin María Servini (und kurzzeitig auch Baltasar Garzón) versuchten, das Amnestiegesetz zu umgehen, Unterstützung aus der spanischen Politik allerdings gab es dafür nicht. Die Uneinsichtigkeit von Tätern ("Ich habe nie irgendetwas unterschrieben") prallt auf den Wunsch von zehntausenden Bürgern, die ihre Familienangehörigen aus den in jüngster Zeit geöffneten Massengräbern in eine letzte Ruhestätte überführen möchten - und Verantwortliche für die Massenmorde des Regimes benennen möchten.
"Pico Reja" von Remedios Malvárez Baez und Arturo Andújar Molinera
Der Kampf um eine Erinnerungskultur steht auch im Zentrum von "Pico Reja" (8. Mai, 18 Uhr, Neues Rottmann, 14. Mai, 21 Uhr Filmmuseum). von Remedios Malvárez Baez und Arturo Andújar Molinera. Die Öffnung eines Massengrabs in Sevilla im Jahr 2020 nehmen die beiden Regisseure zum Anlass, die Geschichte der franquistischen Verbrechen in Andalusien zu erzählen, angefangen von der totale Willkür bei der Auswahl der Opfer. Wurde ein gesuchter "Roter" nicht gefunden, konnte genauso gut dessen unpolitischer Bruder ermordet oder verhaftet werden. Auch mit Ende des Bürgerkriegs gab es für Zehntausende keine Freiheit: Sie wurden in Arbeitslagern eingesperrt und für bauliche Großprojekte ausgebeutet. Erst in den 60er Jahren wurden die letzten Lager aufgelöst.
"Franco's Promise" von Marc Weymüller
Dass die damals aufgerissenen Wunden nicht durch Verdrängen geheilt werden, zeigt auch der Film "Franco's Promise" (10. Mai, 19 Uhr, Instituto Cervantes, 13. Mai, 20.30 Uhr, Filmmuseum) des französischen Regisseurs Marc Weymüller, der bei einer Fahrt durch Spanien zufällig auf das kriegszerstörte Dorf Belchite in Aragonien aufmerksam wurde - und das wiedererbaute Dorf gleichen Namens ein paar hundert Meter entfernt. In immer wieder neuen Aufenthalten dringt er ein in die Geschichte des Dorfes verwebt die Erinnerungen der Menschen, die sich ihm öffnen, zu einem persönlichen Essay über die Abgründe der spanischen Geschichte.