Verführer mit eiskalten Augen: Alain Delon stirbt mit 88 Jahren

Tief ins Gesicht gezogener Hut, hochgeschlagener Kragen, stoischer Gesichtsausdruck: So hat die Welt Alain Delon in "Eiskalter Engel" von Jean-Pierre Melville entdeckt. Der Schauspieler wurde zur Legende, die in mehr als 80 Filmen immer wieder als Killer vor der Kamera brillierte. Nun ist Delon im Alter von 88 Jahren gestorben.
Wie die drei Kinder des Schauspielers der französischen Nachrichtenagentur AFP mitteilten, sei er friedlich und umgeben von seiner Familie in seinem Haus in Douchy in der Region Centre-Val de Loire gestorben. "Alain Fabien, Anouchka, Anthony sowie (sein Hund) Loubo sind zutiefst betrübt, den Tod ihres Vaters bekannt zu geben", teilten sie in der gemeinsamen Pressemitteilung mit.
2019 wurde er beim Festival in Cannes mit der Goldenen Palme für sein Lebenswerk geehrt - unter dem Protest der politisch korrekten US-Filmbranchenpresse. Aber Festivaldirektor Thierry Frémaux bestimmte: Lebenswerk bleibt Lebenswerk! Obwohl sich Delon reaktionär über die Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare geäußert und zugegeben hatte, vor Jahrzehnten seine Frau geohrfeigt zu haben. Außerdem nannte er Jean-Marie Le Pen seinen Freund.
Er verließ die Schule mit 14 Jahren
Doch für krudes Gedankengut konnte Delon für sich den Bonus des Underdogs, der es ins Starlicht gebracht hatte, in Anspruch nehmen: Die Eltern ließen sich scheiden, als er vier Jahre alt war, er wuchs bei Pflegeeltern auf, wurde mehrfach der Schule verwiesen, mit 14 Jahren dann endgültig. Er beginnt eine Metzgerlehre und meldet sich schließlich im Alter von 17 Jahren freiwillig als Soldat für den Indochina-Krieg. Danach schuftet er auf dem Markt Les Halles in Paris, wo heute das Centre Pompidou steht, und parallel dazu nimmt er Schauspielunterricht.

Schon 1957 in seinem Debütfilm "Die Killer lassen bitten" schlüpfte er in die Haut eines Mörders. Aber berühmt macht ihn im Sommer 1958 jemand anderes: Romy Schneider, die gerade ihr "Sissi"-Image abschüttelt. Die erinnert sich viel später: "Dann flog ich nach Paris. Die Filmproduktion von ,Christine' hatte auf dem Flughafen für die Presse ein Treffen mit meinem Partner arrangiert. Ich hasse diese Flughafen-Empfänge. Die Tür wird geöffnet, man tritt auf die Rolltreppe, Mammi steht hinter einem und flüstert: ,Jetzt lächeln, lächle…!' So war es auch diesmal. Lächeln. Blitzlichter. Starrende Augen. Unten, vor der Rolltreppe stand ein zu schöner, zu wohlfrisierter, zu junger Bursch, ganz als Gentleman verkleidet, mit Schlips und Kragen und einem übertrieben modischen Anzug. Der Strauß roter Rosen in seiner Hand war auch zu rot. Ich fand das ganze geschmacklos und den Knaben uninteressant. Auch er fand mich zum Kotzen."
Die Liebe kam beim Filmkuss
Die 19-jährige deutsche Filmprinzessin und "Jungfrau von Geiselgasteig" sollte dem bösen Buben und französischen James-Dean-Typ zu Starruhm verhelfen. Es war - rückblickend betrachtet - eine Schicksalsbegegnung. Alain Delon ist der Schönling, der mit Freunden aus der Halbwelt Orgien feiert, Raufspiele mit Doggen veranstaltet, charmant-lächelnd Verehrerinnen und Verehrer verrückt macht.
Und plötzlich - bei den Filmküssen - funkt es. Aus den vorgespielten Flirts wird Romy Schneiders erste große Liebe in Paris: "Ich wollte leben, mit Alain Delon leben. Das hätte auch in einem Hinterhof sein können." Sie verloben sich und bleiben fünf Jahre lang ein Paar.
Als Romys Sohn David 14-jährig im Jahr 1981 nach einem tragischen Unfall stirbt, wird Delon - bereits seit 17 Jahren nicht mehr mit Romy zusammen - die Beerdigung organisieren und sie mit seinen Leibwächtern vor der Presse abschirmen, nicht ahnend, dass er - nur ein knappes Jahr später - die gleiche tragische Aufgabe für seine große Liebe Romy selbst übernehmen musste.

1969 - an seinem Karrierehöhepunkt - hatten sie noch einmal im Thriller "Swimmingpool" gespielt, er als Mörder - ebenso wie in "Der Clan der Sizilianer" an der Seite von Jean Gabin und 1970 in "Borsalino" mit Jean-Paul Belmondo. Schon 1960, im Krimi "Nur die Sonne war Zeuge", hatte er den smarten, doch skrupellosen, narzisstischen Mörder Tom Ripley so gespielt, dass Patricia Highsmith ihn als Idealbesetzung ihres kriminellen Krimihelden bezeichnete.
Visconti war in ihn verliebt
Luchino Visconti war schwer in ihn verliebt - und besetzte Alain Delon gleich zweimal, sogar konträr: im spät-neorealistischem "Rocco und seine Brüder" als junger Mann, der über illegale Boxkämpfe seine Mutter und Geschwister ernährt. Und dann 1963 in der Lampedusa-Romanverfilmung "Der Leopard" als Jungaristokraten, der die Zeichen der Zeit erkennt und die aufstrebende Bürgerstochter (Claudia Cardinale) heiratet.
Im wirklichen Leben war Delon nur mit der Schauspielerin Francine Canovas verheiratete, die sich mit der Eheschließung Nathalie Delon nannte. Mit ihr hatte Delon den Sohn Anthony. Die Ehe scheiterte in der sogenannten Affäre Markovic, als der gleichnamige Leibwächter und angebliche Geliebte von Delons Frau Nathalie ermordet wurde und seither Gerüchte um Alains Delons Verbindungen zur Unterwelt nicht verstummten.

Zwei weitere Kinder entstammen einer Partnerschaft mit dem Model Rosalie van Breemen. Über einen weiteren Sohn mit der deutschen Pop-Künstlerin Nico herrschte ein nie endgültig geklärter Vaterschaftsstreit. Allerdings wuchs Ari Päffgen bei Alain Delons Mutter auf.
Mehrmals hatte Delon seinen Abschied vom Kino verkündet. Dennoch hatte er noch 2008 eine lustige Rolle übernommen: die des Julius Caesar in der Asterix-Realverfilmung "Bei den Olympischen Spielen".

In Cannes wurde er 2019 mit einer Ehrfurcht gefeiert, die an religiöse Verehrung grenzte. Schon als Delon den Raum betrat, erhob sich der Saal geschlossen. Delon hatte sich auch gleich von seiner charmantesten und bescheidenen Seite gezeigt. Er nehme den Preis nur an, weil all die großen Regisseure, denen er, der Nobody und Underdog, alles verdanke, schon tot seien. In diesem Moment kam Delon eine Träne und er gestand auch, dass Romy Schneider seine große Liebe geblieben war. "Andere kamen von der Schauspielschule, ich aus dem Indochinakrieg. Ich habe nie gespielt. Ich habe meine Rollen gelebt", sagte Delon.
Kurz nach der Ehrung erlitt Delon einen Schlaganfall, von dem er sich nie vollständig erholte. Im Jahr 2022 sagte er, dass er an eine aktive Sterbehilfe in der Schweiz denke, wo er auch lange lebte. Dem Fernsehsender TV5 erklärte er, dass man in einem gewissen Alter das Recht habe, sich in Ruhe zu verabschieden. Ihm war das nicht vergönnt. Monatelang stritten sich seine drei Kinder, Anthony, Anouchka und Alain-Fabien, um die Betreuung Delons.
Der Star hat seinen Mythos zeitlebens gepflegt. "Mein Leben ist wie ein Eisberg. Die Öffentlichkeit kennt nur die Spitze", hatte er einst gesagt. Sein wahres Gesicht bleibt nun sein Geheimnis.