Verdrehtes Familienglück

Woody Harrelson überzeugt in der Tragikomödie "Wilson - Der Weltverbesserer" als neurotischer, urkomischer Misanthrop, der den Traum von Familie nicht aufgeben will.
von  Heidi Reutter
Wilson (Woody Harrelson) ist ein wunderbar schräger Typ.
Wilson (Woody Harrelson) ist ein wunderbar schräger Typ. © 2017 Twentieth Century Fox
Hollywood liebt Superhelden und Superstars - und es liebt Antihelden. Underdogs, die im Leben immer wieder gescheitert sind und ihr Glück erst noch finden müssen. Als Zuschauer lässt sich in solchen Filmen wunderbar mitfiebern, ob das Unternehmen am Ende gelingt. Eine Geschichte über das Scheitern und die Suche nach den ersehnten Träumen erzählt auch Regisseur
Craig Johnson ("The Skeleton Twins", 2014) sehr gelungen in "Wilson - Der Weltverbesserer". Wie konnte es nur soweit kommen? Diese Frage stellt sich Wilson (Woody Harrelson), der mit seinem Hund mehr recht als schlecht in einer bescheidenen Behausung wohnt. Sein Leben hat er sich weiß Gott anders vorgestellt, eher bunt und in Cinemascope. Stattdessen ist sein Leben: "einsam und erbärmlich". Das geht so weit, dass der Menschenhasser andere Hunde im Park verzweifelt an sich presst und sie zum Entsetzen ihrer Besitzer kaum mehr loslassen will. Fremden drängt er ungefragt seine ehrliche Meinung auf, denn: "Warum schweigen die Leute bloß immer? Das ist ja, als wäre man tot." Als sein Vater stirbt, gerät der seltsame Misanthrop endgültig ins Wanken. Er beschließt, seine Ex-Frau Pippi (Laura Dern) ausfindig zu machen, die ihn vor 17 Jahren verlassen hat. In seiner verdrehten Wahrnehmung gibt er sich der Illusion hin, dass beide nochmal von vorne anfangen könnten. Dabei sind sie tatsächlich völlig zerstritten. Als es ihm gelingt, Pippi zu finden, überrascht den Einzelgänger eine entscheidende Nachricht - die, dass er Vater einer Teenager-Tochter ist. Pippi war schwanger, als sie Wilson verließ und hatte Claire (Isabella Amara) nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Wieder vereint - wobei man dies alles andere als harmonisch bezeichnen dürfte - machen sich Wilson und Pippi auf, die verlorene Tochter zu finden. Für den Außenseiter Wilson beginnt damit ein neues Leben, geschürt von der Hoffnung auf eine richtige Familie
. Ein Wochenend-Trip zu Pippis perfider Schwester (Cheryl Hines) macht Wilsons Illusionen allerdings zunichte ... Regisseur Craig Johnson erzählt die Geschichte, die grob auf der satirischen Graphic Novel von Daniel Clowes (der auch das Drehbuch
geschrieben hat) basiert, mit Feingefühl und Humor. Schon mit "The Skeleton Twins" inszenierte der Amerikaner eine bittersüße Story, nämlich die zweier Geschwister, die sich erst zusammen umbringen wollen, dann aber wieder zueinanderfinden. Hollywood-Star
Woody Harrelson ("Die Tribute von Panem", "Zombieland", 2009), der gerne skurrile Rollen mit einer Affinität zum Abgrund übernimmt und sich selbst als Anarchist bezeichnet, spielt diesen pessimistischen Klugscheißer-Typen Wilson, der nichts auf die Reihe kriegt, mit Bravour. Seine spitze Zunge und radikale Ehrlichkeit sorgen dabei für viele Lacher. Zusammen mit Laura Dern ("The Master", "Der große Trip - Wild") gibt er ein hinreißendes, spleeniges Duo ab, mit dem das Publikum lachen und weinen mag. Ja, das Leben ist kein Wunschkonzert. Jedenfalls nicht für alle. Und das ist gut so. Denn so beschert es uns bewegende Geschichten wie die von "Wilson - Der Weltverbesserer", die witzig und tröstlich sind: Man muss dem Tragischen einfach immer etwas Komisches abgewinnen. Das wusste schon Woody Allen.
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