Unverschämt lässig
Es ist eine Geschichte über die Kunst der Illusion: Menschen glauben, was sie glauben wollen – und je bizarrer die Inszenierung, desto glaubwürdiger scheint sie. Das ist nur ein psychologisches Paradox, mit dem „American Hustle“ spielt.
Christian Bale und Amy Adams sind hier ein Bonnie & Clyde-Paar als Kreditbetrüger, die auch mal mit gefälschten Kunstwerken handeln – klassische Kleinganoven und Hochstapler, die einfach ein lässiges Leben führen wollen: Sie, die Ex-Stripperin, die sich neu erfindet und sich den cleveren Kleinbürger-Hochstapler geangelt hat, der allerdings zu Hause noch eine durchgeknallte Ehe- und Hausfrauen-Schlampe mit Alkoholproblemen (Jennifer Lawrence) hat. Erotik und Sex kommen ins Spiel, weil beide Frauen den Körper als Waffe einsetzen, jeder Orgasmus könnte auch gespielt, jeder Kuss eine Venusfalle sein...
Sex, Lug und Trug
In dieses Netz aus Sex, Lug und Trug haut die Staatsmacht rein – in der Person von Bradley Cooper als überehrgeizigem FBI-Agent. Er will größenwahnsinnig den Korruptionssumpf in ganz New York austrocknen und hat das Ganovenpärchen erpresst, mit ihm jetzt für die „Gute Sache“ zusammenzuarbeiten.
Die Ironie der Geschichte: Der einzig unkorrupte ist ein Politiker, der Bürgermeister (Jeremy Renner), der aber im polizeilichen Ermittlungswahn in derartige Fallen gelockt wird, dass auch er seine Bodenhaftung unter den Füßen verliert.
Der geniale Spannungstrick des Films von David O. Russell, der mit Cooper und Lawrence schon „Silverlinings“ gedreht hat, ist, dass jeder glaubt, die Geschichte noch unter Kontrolle zu haben, was längst nicht mehr der Fall ist.
Das könnte ein zynischer Coen-Brüder-Film werden, mit einer gnadenlosen Abwärtsspirale. Aber „American Hustle“ ist eine Komödie, in der die Grenzen zwischen Ganoven und Polizei, Gut und Böse immer wahnwitziger verschwimmen.
Überbordende Intelligenz schimmert durch
Natürlich wird dieser Film ein großer Erfolg: mit dieser Starbesetzung, zig Oscar-Nominierungen und einem enormen Lässigkeits-Faktor, der sich auch aus den 70ern speist. Es ist die Zeit vor unserem optischen Selbstoptimierungswahn, man konnte noch Bier saufen, etwas fettige Haare haben und dennoch ein cooler Hund sein.
Donna Summers „I feel Liebe“ liefert den Soundtrack, Sex war noch nicht Aids- und neokonservativ-gestört und New York nicht bis tief nach Brooklyn gentrifiziert.
Für Zuschauer, die mehr als nur gute Unterhaltung erwarten, schimmert überall noch überbordende Intelligenz durch: als subtile Diskussion über die Frage nach der Spannung zwischen dem Wunsch nach Bürgerlichkeit und Abenteuer. Oder mit der Frage, wie weit sich die Staatsmacht selbst die Hände schmutzig machen darf, um Kriminalität auszutrocknen. Und selbst eine kleine, aktuelle Finanzkrisendiskussion ist eingebaut: Schließlich können unsere charmanten Betrüger nur Geschäfte machen, weil krisenbedingt die Banken keine Kredite mehr rausrücken.
Kino: Sendlinger Tor, Solln, Royal, CinemaxX, Mathäser sowie Münchner Freiheit und City (OmU) und Gloria, Cinema, Museum OV)
R: D. O. Russell (USA, 138 Min.)