"Una & Ray": Liebe, Missbrauch? Oder beides?

München - In der kalt beleuchteten Lagerhalle, inmitten von meterhohen Regalen und gestapelten Kartons verliert man das Gespür für Raum und Zeit. Hier erscheint eines Morgens Una (Rooney Mara) und fragt nach Ray (Ben Mendelsohn). Der deutlich ältere Mann hatte vor 15 Jahren eine Affäre mit ihr. Aber damals war sie erst 13 Jahre alt. Als ihre Eltern davon erfahren, zeigen sie Ray an. Er muss für vier Jahre ins Gefängnis.
"Blackbird", das 2005 veröffentlichte und gelobte Theaterstück des Britische Schriftsteller David Harrower, diente dem Drama "Una und Ray" als Vorlage. Die Schlüsselfrage, auf die in vielen Szenen verzweifelt nach Antworten gesucht wird: Wie gehen Mann und Mädchen nach dieser Beziehung mit ihrem Schicksal um – vor allem, wenn für beide Gefühle im Spiel waren?
Während Una zu einer gefühlsarmen Frau heranwächst und nie über den Verlust von Ray hinweggekommen ist, hat sich dieser nach seiner Freiheitsstrafe ein neues Leben unter einem anderen Namen aufgebaut und geheiratet.
Die Geschichte ist bitter und beschämend, geht es schließlich um die Aufarbeitung von Pädophilie. Und Regisseur Benedict Andrews nähert sich ihr keineswegs zaghaft. In seinem Spielfilmdebüt schafft der Australier mit einem erstklassigen Ensemble ein intensives Kammerspiel, intim und ganz ohne ablenkendes Beiwerk. Eben das kann er als Theaterregisseur.
Seine Hauptdarsteller Rooney Mara und Ben Mendelsohn fesseln in einem hochpsychologischen Duell, das spannend und unbequem bis zur letzten Sekunde bleibt. Das beklemmende an Andrews Drama ist, dass man zur Frage verleitet wird, ob es Missbrauch war, Liebe oder gar beides? Die Lagerhalle, in der Ray arbeitet, wird zur Metapher auf die scheinbar stillstehende Zeit, in der die Hauptfiguren zu Akteuren der ansonsten passiven, trostlosen Umgebung werden und nicht umhinkommen, Schuldfragen zu klären.
Kinos: Arena R: Benedict Andrews (GB, USA, Can, 94 Min.)