"Tschick": Im Klapper-Lada voll ins Leben

Da brechen gleich alle Teenager-Traumata auf einmal wieder durch: Es gibt dieses eine wunderschöne Mädchen in der Schule, die Sonne des Jungenlebens, den Mittelpunkt der Welt. Und sie feiert eine Party! Und alle sind eingeladen! – Alle, bis auf die beiden Klassen-Außenseiter. „Tschick“ erzählt, wie das Leben trotzdem weitergeht, ja: wie es eigentlich erst so richtig beginnt.
Maik Klingenberg (Tristan Göbel) hat es nicht leicht: Seine durchaus coole Mutter muss alle paar Monate in die Entziehungsklinik, sein Vater, der mit seiner Immobilienfirma Schiffbruch erlitten hat, fährt mit seiner sehr jungen Assistentin in den Urlaub – ohne sich die Mühe zu machen, es vor seinem Sohn wirklich wie eine Geschäftsreise aussehen zu lassen. Maik ist also auf sich gestellt im elterlichen Luxus-Haus, das da einsam auf leerem Bauland steht. Und Maik ist verliebt in die Klassenschönheit Tatjana – die ihn natürlich komplett ignoriert.
Zusammenhalten! Alleine kommt man ja doch nicht weiter
Die beiden Jungschauspieler Anand Batbileg und Tristan Göbel aka "Tschick" und Maik. Foto: Reiner Bajo/Studiocanal
Dann kommt, derb und desinteressiert und reichlich exotisch, Tschick (Anand Batbileg) als Neuer in die Klasse. Den finden natürlich alle doof. Aber wenn Anand Batbileg seinen Tschick zum ersten Mal lächeln lässt, erhält der Film eine völlig andere Stimmung. Und klar: Bald finden die beiden Außenseiter zueinander. Sie steigen in einen klapprigen Lada Niva, den Tschick natürlich nur geliehen hat und ganz sicher wieder zurückstellen will, und fahren Richtung Süden. In die Walachei soll es gehen, wo Tschicks Großvater lebt.
Tatsächlich geht es aber voll ins Leben: Das erste Mal auf sich allein gestellt, eine bizarre Auswahl an Lebensmitteln im Gepäck, sausen die beiden Jungs ins Berliner Umland. Erst: Kräftemessen, Prahlerei mit Wissen und vermeintlichem Wissen (ist Steppenwolf ein Roman? Oder doch eine Band?). Dann doch: Zusammenhalten, sonst geht es ja nicht weiter.
Zu Richard Claydermans Schnulze „Ballade pour Adeline“ lässt Regisseur Fatih Akin die Jungs mit dem Geländewagen durch die Landschaft pflügen – eine angenehm gewitzte Brechung von Bild und Musik.
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Herrndorfs Jugendsprache ist zeitlos
Fatih Akin verpasst „Tschick“ immer wieder sanfte Brechungen, um den Film nicht zum reinen Gute-Laune-Road-Movie werden zu lassen: Es beginnt mit dem blutigen Gesicht eines Protagonisten und zahlreichen verunfallten Schweinen. Und das Mädchen, das die beiden Ausreißer auf ihrer Fahrt natürlich treffen müssen, schreit herum, dass einem schon im Kinosessel angst und bange werden kann.
Wie überhaupt die jungen Helden natürlich reichlich rotzig reden. Aber schon Herrndorfs Romanvorlage hat es geschafft, eine Jugendsprache zu finden, die zeitlos ist. Kein Vergleich zu den Versuchen von Schulbüchern, Jugendsprache zu erklären. Kaum waren sie gedruckt, war die Sprache schon weiter.
Potenzial zum Jugendfilm-Klassiker
„Tschick“ wirkt manchmal wie eine Arthouse-Antwort auf „Fack ju Göhte“. Neben dem Herumdüsen durch Brandenburgs Felder und Fluren gibt es wunderbar ruhige Szenen unterm Sternenhimmel, am Fuße eines Windrads, und etwas Romantik am See. Und es gibt eine etwas unglaubwürdig geschnittene Szene, in der Maik auf einem geklauten Polizeifahrrad vor einem Polizisten flieht. Das tut dem Filmspaß freilich keinen Abbruch. „Tschick“ dürfte einer der Spätsommer-Kinohits und durchaus ein Jugendfilm-Klassiker werden. Verdient hat er es.
R: Fatih Akin (D 2016) Kino: Cinemaxx, City, Gloria, Mathäser, Monopol, Münchner Freiheit, Royal