Trotz Virus und Petrus: Filmfest München ist mit Bilanz zufrieden
Geschafft! Nach der letztjährigen Zwangspause präsentierte sich das Filmfest München unter Corona-Bedingungen unter anderem in acht Open-Air-Kinos - und das bei Regen und Sturm.
"Auch wenn uns Petrus im Stich gelassen hat, die Arbeit hat sich gelohnt", bilanzierte Festivalchefin Diana Iljine. "Die Menschen wollen wieder Filme sehen, die Filmkultur feiern." Die 130 Publikumsvorführungen von rund 70 Filmen im Freien und im wettersicheren Kino lockten rund 25 000 Besucher - ein Erfolg angesichts der Rahmenbedingungen.
Filmfest München: Die Besucher trotzen Regen und Corona
Besonders gestählt zeigte sich das Publikum in "Kino, Mond & Sterne" - mit Decken, Regencapes und Schirmen: Bei Anders Thomas Jensens "Helden der Wahrscheinlichkeit" harrten die Harten sogar noch bei einem längeren Filmgespräch aus. Beim Vampirschocker "Blood Red Sky" verteilte Regisseur Peter Thorwarth bei den ersten Regentropfen 200 durchsichtige Regenschirme, gut gelaunt schauten die Horror-Aficionados dem blutigen Spektakel zu.

Nass erwischte es Franka Potente bei der Premiere ihres Regiedebüts "Home": Die Verleihung des "Margot Hielscher Preises" an die Regisseurin klappte noch im "Kino am Olympiasee", dann flohen bei Donner und Blitz die meisten Zuschauer. Aber der bewegende Blick in die amerikanische Provinz kommt bald ins Kino.
München überlappte sich mit Cannes - die Kracher fehlten
Da das Cannes-Festival (siehe unten) sich diesmal mit München überlappte, fehlten aktuelle Kracher - manche Filme liefen sogar schon vor zwei Jahren in Venedig. Internationale Prominenz war kaum zu sichten, es war ein doch regional bestimmtes Festival, was schon der Eröffnungsfilm "Kaiserschmarrndrama" belegte.
Besonders gut kamen zwei internationale Filme an: François Ozons Coming of Age-Drama "Sommer 85" und "Der Masseur" von Ma³gorzata Szumowska, der eine Hommage gewidmet war. Der Film erzählt von einem Mann, der in einer grauen Vorstadt die Nöte, Ängste und Einsamkeit vor allem von Frauen "wegmassiert", der nicht nur den Körper, sondern auch die Seele streichelt.
Die Preisstifter blieben alle an Bord
Die Preisstifter blieben alle bei der Stange. Sehr verdient ging der mit 50.000 Euro dotierte ARRI/Osram Award an Dominik Molls "Die Verschwundene" im Wettbewerb CineMasters, eine zutiefst menschliche Geschichte über Sehnsucht, Lügen und zerplatzte Hoffnungen, die sich an der Elfenbeinküste und in den französischen Bergen abspielt.
Der CineVision Award für den Besten internationalen Nachwuchsfilm erhielt "La Nuit des Rois" von Phillippe Lacôte, für die Jury ein Märchen des 21. Jahrhunderts und die Suche nach Werten in einer Welt, die Menschen zu Tätern wie Opfern macht. Über den Publikumspreis freuten sich die Regisseurinnen Imogen Kimmel und Doris Metz. Ihre Doku "Trans - I Got Life" greift das aktuelle Thema Geschlechteridentität auf, begleitet mit großer Empathie Transmenschen auf dem Weg zu sich selbst.
Als Herzstück des Filmfestes gilt die Reihe "Neues Deutsches Kino" mit 14 Produktionen als Weltpremieren. Talente aus zehn Filmen erfüllten die Kriterien für den "Förderpreis Neues Deutsches Kino", nämlich die besten Nachwuchsleistungen in den Kategorien Drehbuch und Schauspiel, im ersten, zweiten oder dritten Kinospielfilm, beim Produktionspreis bis zum sechsten Film. Die Entscheidungen der Jury (Sophie von Kessel sowie Intendantin Barbara Mundel und Ensemblemitglied Komi M. Togbonou von den Kammerspielen) waren bei den Festivalgästen umstritten, vor allem der "Preis für die Beste Regie" für die Sekten-Farce "A Pure Place" von Nikias Chryssos: Trotz beeindruckender Bilder bleibt es bei dieser Satire über Reinlichkeitsmythen beim verzweifelten Versuch, provozieren zu wollen.
Beste Produktion für "Mein Sohn"
Ob der Preis für die Beste Produktion unbedingt an Miriam Düssel für "Mein Sohn" gehen musste, darüber kann man auch streiten. Zumal die renommierte Produzentin bereits über viel Erfahrung verfügt. Der Drehbuchpreis an Franziska Stünkel für "Nahschuss" frei nach dem Leben des Stasi-Mitarbeiters Werner Teske geht in Ordnung, allerdings hörte man Bedenken von Bürgern mit ostdeutscher Sozialisation, die Ungereimtheiten monieren. Der Schauspielerpreis an Martin Rohde in "Heikos Welt" belohnte wohl die feine Gratwanderung seiner Figur zwischen Verlierer und Überlebenskünstler.
Bedauerlich, dass einer der liebenswertesten Filme der Reihe unterging: "Monday um zehn" von Mareille Klein erzählt mit Herz und Verstand von der Liebe einer wohlhabenden Best-Agerin, die nach einem Unfall einen polnischen Putzmann engagiert, der ihrem Leben eine neue Richtung gibt und spätes Glück verheißt - wären da nur nicht die bürgerlichen Konventionen. Die Dramödie mit Resi-Ensemblemitglied Ulrike Willenbacher gehörte zu den "Crowdpleasern" und gewann den Fipresci-Preis der Filmkritiker.
Das Résumé des diesjährigen Filmfests? Die Organisatoren machten trotz Pandemie und Wetterkapriolen das Beste aus der Sache, setzten ein Zeichen für die Lebendigkeit des Films. Die in Bayern bestehende Abstandsregelung im Kino verhinderte eine größere Zuschauerzahl. Ein Rätsel bleibt, warum man sich nicht an anderen Bundesländern orientiert, die auf das "Schachbrettmuster" setzen wie das Venedig-Festival im letzten Jahr, das keinen einzigen Coronafall vermelden musste. Für 2022 hoffen wir auf bessere Zeiten: Vielleicht gibt es dann ja die vom künstlerischen Leiter Christoph Gröner versprochenen "kuschelwarmen" Kinoabende.
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