"Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" - Fast ein Happy End in Trumpland

Packende, amüsante Tragikomödie im Kernland Amerikas: "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri".
von  Adrian Prechtel
Hat ebenfalls Oscar-Chancen: Woody Harrelson als Sheriff.
Hat ebenfalls Oscar-Chancen: Woody Harrelson als Sheriff. © Fox

Mit dieser Mildred ist nicht zu spaßen. Kein Wunder, denn sie ist als Mutter auf einem eskalierenden Rachefeldzug gegen den Polizeichef am Ort, der bei der Suche nach dem Sexualmörder ihrer Teenie-Tochter zu wenig unternimmt. Wenn es denn stimmt, was Mildred Hayes uns Zuschauern und den Bürgern ihrer Kleinstadt da suggeriert.

Frances MacDormand ist eine geniale Schauspielerin, der man nur kurz ins Gesicht schauen muss, um auffallend vielschichtig zu erfahren, was los ist: Denn Mildred ist zwar verbittert und radikal furchtlos, aber hinter ihrem Zynismus schimmern doch auch der Wunsch nach Befreiung, eigene Schuldgefühle und manchmal sogar Selbstironie durch.

Jedenfalls hat die alleinerziehende Hausfrau im Niemandsland an der verschlafenen Einfallsstraße ihrer Stadt Ebbing drei dieser klassischen US-Riesen-Plakatständer angemietet. Über Nacht ist am Ortseingang jetzt plötzlich in werbewirksamen Großlettern der grausamen Tod der Tochter beschrieben, gefolgt von der Zählung der bisher ergebnis- und tatenlos verstrichenen Zeit. Auf der dritten Tafel ist dann – nicht gerade zimperlich fragend – namentlich der Gesetzeshüter angeklagt: "Sheriff Willoughby, wo ist der Täter?" Was düster klingt – und oft auch hart ist – wird auf der Leinwand zur Groteske, die amüsant-brutal im "Fargo"-Stil ein Gesamtporträt Amerikas versucht.

Inszenierung Amerikas im Mikrokosmos einer Kleinstadt

Und wo kann man Amerika besser charakterisieren als im Mikrokosmos einer Kleinstadt, hier im flachen Trump-Land, Missouri, wo man stolz ist auf seine Erdigkeit und weit und breit kein liberaler Metropolen-Hipster zu sehen ist – na ja, zumindest bis auf den Werbeagentur-Fuzzi an der Hauptstraße gegenüber der Polizeistation.

Selbst der einzige öffentlich bekennende Demokraten-Wähler hat in dieser Gegend ein paar Schießeisen zu Hause, ist Jäger, und ein Schwarzer sollte seine Töchter besser nicht ansprechen. Und dass die Polizei hier vor allem den wenigen Schwarzen der Stadt genauer auf die Finger schaut und – einfach, um mal wieder Klartext zu reden – auch eins aufs Maul haut, ist hier eher Standard als kritisch gesehen.

Vielleicht kann gerade ein irisch-britischer Regisseur wie Martin McDounagh ein besonders hellsichtiges Bild vom Geisteszustand Amerikas entwerfen, das er unter dem etwas sperrigen Filmtitel "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" zusammenfasst. Dabei gelingen große Bilder wie die nächtlich abgefackelten Werbetafeln und geniale Psychogramme von familiären Hintergründen. So wird "Three Billboards" zu etwas, was es eigentlich nicht gibt: ein satirisch-groteskes, dabei genau psychoanalytisches Drama mit einem Happy End, das gleichzeitig offen ist. Das gelingt auch deshalb so geistreich und spannend gut, weil jede der Figuren zwei Seiten hat und so unsere Sympathieverteilung ständig auf die Probe gestellt wird.

Letztlich wächst uns sogar der raubeinige Sheriff (Woody Harrelson) ans Herz, und im Hilfssheriff (Sam Rockwell) bedingen sich Machismus, Beschränktheit, uneingestandene Homosexualität und Rassismus gegenseitig. Aber auch dieser Dixon ist ein komplexbeladener Mensch, der sich durch Anerkennung von Außen endlich innerlich befreien kann.

So ist "Three Billboards" ein spannend schillernder, hart amüsanter Spielgel einer berechtigten Hassliebe zu diesem amerikanischen Kernland. Gute Voraussetzungen für die Oscargala am 4. März, bei der "Three Billboards" gleich sieben Mal nominiert ist – vollkommen zu Recht auch als Bester Film.


Kino: Atelier, Sendlinger Tor, Leopold und City, Monopol (OmU) sowie Cinema, Museum (OV); Buch, Regie, Produktion: Martin McDounagh (USA, 119 Min.)

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