"The Menue": Das letzte Abendmahl

Ein außergewöhnlicher Abend steht an auf der abgelegenen Insel Hawthorne mit exquisiten Speisen, angerichtet vom Starkoch Slowik für eine kleine Gruppe von Eingeladenen, die sich das Schlemmer-Vergnügen 1250 Dollar pro Person kosten lassen.
Zu jedem Gang erscheint ein Foto der Kreation auf der Leinwand
Militärisch kommandiert der Koch seine Mannschaft. Wenn er in die Hände klatscht, weiß die, was zu tun ist, während die Gäste zusammenzucken. Zu jedem Gang erscheint ein Foto der Kreation auf der Leinwand, der Meister erklärt die Zutaten und erzählt eine Geschichte. Die Order lautet "nicht essen, sondern schmecken!". Und wehe jemand unterwirft sich nicht den Regeln.
Die feine Gesellschaft macht das seltsame Spiel mit, auch wenn dieses sukzessive zu einem Albtraum wird. Denn es gibt kein Entkommen bei diesem raffiniert präsentierten "letzten Abendmahl".
Aus schickem Gourmettempel wird Ort des Schreckens
Regisseur Mark Mylod macht aus dem schicken Gourmettempel einen Ort des Schreckens, verbindet Kulinarik, Horror und tiefschwarzen Humor, schockt aber auch mit unerwarteter Gewalt.
Je weiter der Abend fortschreitet, um so mehr werden die Schwächen der Besucher seziert, ihre Lügen entlarvt: Da wären die arrogante Restaurantkritikerin und ihr auf der Schleimspur kriechender Verleger, ein sich überschätzender B-Schauspieler und seine Assistentin, drei primitive Flegel aus der Finanzbranche und ein älteres betuchtes bürgerliches Ehepaar. Slowik scheint ihre Geheimnisse zu kennen und präsentiert sie ohne Pardon. Etwas aus der Reihe fallen der vom Koch und seiner Kunst besessene Tyler (Nicholas Hoult) und seine Begleitung Margot (Anya Taylor-Joy), ein Escort-Girl, das für Tylers abgesprungene Freundin einsprang.
Mehr als einer der düsteren und typischen Psychothriller
Sie hält die ganze Show für überkandidelt und irritiert mit ihrer respektlosen Haltung den ansonsten verehrten Slowik, der aber seinen teuflischen Plan bis zum infernalischen Finale durchzieht. Der Film ist so delikat inszeniert wie das Menü komponiert. Lange weiß man nicht, wie weit der Chef in seinem Perfektionswahn gehen will. "The Menu" ist mehr als einer der düsteren und typischen Psychothriller, mehr als die persönliche Rache am reichen, eingebildeten, unhöflichen und selbstzufriedenen Pack.
Aber was steckt hinter der akribischen Zerstörung aufgeblasener Egos, dem ausgetüftelten Zelebrieren von Kunst und Tod? Die Motivation bleibt fragmentarisch. Geschickt jongliert Mylod zwischen ruhigen Momenten und berstender Eskalation, zeichnet satirisch Klassenattitüde und soziales Gefälle, manchmal spürt man sogar Sympathie zwischen den Opfern und dem kultivierten Dominator. Der immer exzellente Ralph Fiennes toppt sich hier selbst, geriert er sich mal fast wohlwollend als Freund, um in der nächsten Sekunden als eiskalter Psychopath erbarmungslos für Grauen zu sorgen, ein Mitgefühl heuchelndes Monster, das sich hinter Manierismen versteckt.
Nur Außenseiterin Margot lässt sich von der Fassade und den Wortkaskaden nicht einschüchtern, sie ahnt von Anfang an als einzige, dass irgendetwas nicht stimmt. Und dass sie einen Cheeseburger verlangt, den ihr der Küchenchef sogar mit Lust zubereitet, gehört zu den Überraschungen in diesem immer wieder durch neue Wendungen verblüffenden Werk. Kino für Connaisseure: böse, brutal, unberechenbar.
Kino: Royal, Astor im Bayerischen Hof, Cinemaxx, Mathäser sowie City, Monopol (OmU) und Cinema, Museum (OV)
R: Mark Mylod (USA, 106 Min.)