"The Commuter" - Pendler in Zugzwang

Jeder Tag ähnelt dem anderen, und doch geht das Leben konsequent weiter. Jeden Morgen wird Ex-Cop Michael MacCauley von der gleichen Radiosendung geweckt, um mit Ehefrau und Sohn die gleiche Frühstücksroutine zu erleben. Nur, dass der Sohn immer älter wird, die Entscheidungen, auf welche teure Schule dieser gehen soll, immer näher rückt, gefällt werden muss. MacCauleys Weg führt jedes Mal, durch die Jahreszeiten hinweg, zum immer gleichen Pendlerzug, der ihn aus der beschaulichen Vorstadt ins Zentrum von New York bringt, zu seinem Job als Versicherungsmakler.
In einer wunderbaren Eröffnungssequenz lässt Regisseur Jaume Collet-Serra seinen Helden, gespielt von Liam Neeson, in kurzen Szenen durch den morgendlichen Alltag und diverse kleine Veränderungen gehen, lässt gleichzeitig die Zeit voranschreiten und verfolgt den Weg MacCauleys immer weiter bis zum Pendlerzug. Hinter "The Commuter" und den früheren Zusammenarbeiten des Spaniers Collet-Serra mit seinem Star Neeson steckt ein Experimentiergeist, den man nicht mehr oft in Hollywoodproduktionen findet, wobei diese Filme in ihren an den Haaren beigezogenen Prämissen und den daraus folgenden wilden Handlungswirbeln den wurschtigen Charme der B-Movies besitzen.
Klaustrophobische Situation im Zug
2014 steckte Neeson in "Non-Stop" in einem Flugzeug fest und musste einen Terroristen ausfindig machen. Nun bekommt er in der klaustrophobischen Situation des Zugs von einer Fremden (Vera Farmiga) den Auftrag, einen Passagier namens "Prynne" ausfindig zu machen, dem er einen GPS-Sender an die Tasche heften soll. Was vermutlich mörderische Folgen haben wird, die MacCauley jedoch gar nicht mitbekommen wird. Kann es dem Commuter, dem Pendler, nicht egal sein? 100.000 Dollar winken ihm, was verlockend ist, weil er gerade – Alltag adé – seinen Job fünf Jahre vor der Rente verloren hat und noch nicht den Mut hatte, seine Familie davon zu unterrichten.
Wie sich MacCauley immer mehr in diesen kuriosen Auftrag hineinziehen lässt, einen Vorschuss von 25.000 Dollar annimmt und mit mehr oder minder smarten Fahndungsmitteln nach Prynne sucht, um den ganzen Zug in Aufruhr zu bringen, sich dabei mit diversen Passagieren unter Zuhilfenahme einer Axt, einer E-Gitarre und allem, was sich im Umfeld so findet, herumprügelt und zwischendurch Bekanntschaft mit der Außen- und Unterseite des Zugs macht – das ist ein wild galoppierender Spaß, bei dem man aber als Zuschauer schon jeden Sinn für Wahrscheinlichkeit und Logik ausschalten sollte.
Gut unterhalten ans Ziel
Regisseur Jaume Collet-Serra hat seine US-Karriere mit Horrorfilmen wie "House of Wax" (2005) begonnen, sein Talent für guten Thrill setzt sich auch in seinen Actionfilmen durch: Überall wimmelt es in "The Commuter" an unheilvollen Zeichen, die Blicke der Passagiere, kleine Bewegungen können für eine Bedrohung stehen oder zum harmlosen Alltag gehören. Liam Nesson ist dazu ein Hauptdarsteller, der von den ständigen Dramen des Lebens ein bisschen müde ist, aber sich weiterhin als hellwacher Beobachter und agiler Actionheld erweist. Das Wort "Held" wird am Ende des Films buchstabiert. "The Commuter" buchstabiert die Elemente des Genres durch und wirbelt sie durcheinander.
Klar, die Thriller ähneln sich, auf jeder Fahrt kommen ähnliche Stationen, aber wenn abstruse Ideen mit voller Zugkraft verfolgt werden, kommt man doch sehr gut unterhalten ans Ziel.
Kinos: Cinema, Gloria, Museum-Lichtspiele (alle OV), Mathäser (auch OV), CinemaxX, Gabriel, Leopold Kinos Regie: Jaume Collet-Serra (USA, 105 Minuten)
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