Tanz, Affe!

Goldene Himbeeren und Technik-Oscars: Für beides wäre "Kong: Skull Island" gleichermaßen ein Kandidat.
John Fasnaugh |
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"Kong: Skull Island" bringt den König der Filmmonster in einem imposanten, aber leider auch ziemlich lieblosen Spektakel zurück auf die Leinwand.
2017 Warner Bros. Ent / Legendary Pics. / LLC & Ratpac-Dune Ent. "Kong: Skull Island" bringt den König der Filmmonster in einem imposanten, aber leider auch ziemlich lieblosen Spektakel zurück auf die Leinwand.
Ja, es gibt sie noch. Auch heute, da das Kino nur so wimmelt vor überdimensionierten CGI-Ungeheuern: diese ganz besonderen Monster, die man als Zuschauer im Herzen trägt und bei denen man dann eben auch sehr gespannt hinsieht, wenn sie wieder auftauchen. Eines dieser Ungetiere ist etwa Godzilla, der 2014 sein Leinwand-Comeback feierte. Ein anderes ist King Kong, der jetzt nicht minder imposant nachzieht. Während die letzte Adaption (von Peter Jackson, 2005) inhaltlich dicht an dem Original "King Kong und die weiße Frau" (1933) blieb, erzählt "Kong: Skull Island" eine abgewandelte Geschichte. Man holt zum vielleicht größten Knall der
Kinogeschichte
aus. Der Bogen wird weit gespannt in diesem Film. "Antike Monster, die schon lange vor uns Menschen da waren", treiben ihr Unwesen. Ein kurzer, unbedeutender Prolog setzt 1944 ein, als ein US-Flieger während des Krieges auf einer Pazifikinsel abstürzt. Hier begegnet uns der neue Kong zum ersten Mal. Was für ein Koloss! Viermal so groß wie Jacksons King Kong; größer war bisher nur der Riesenaffe aus "King Kong vs. Godzilla" (1962). Nach drei Minuten also schon großes Getöse, ein erstes Staunen im Kinosessel - und ein wenig Verwunderung darüber, dass Regisseur
Jordan Vogt-Roberts ("The Kings of Summer") seinen Star schon so früh zeigt. Die eigentliche Handlung spielt im Jahr 1973 und erinnert noch etwas stärker an Arthur Conan Doyles "Die vergessene Welt" als das ursprüngliche Kong-Narrativ: Der US-Wissenschaftler Bill Randa (John Goodman) hat via Satellit eine bisher völlig unbekannte Insel im Pazifik ausgemacht, auf der es bestimmt Aufregendes zu entdecken gibt - vielleicht ja ein in sich geschlossenes Ökosystem mit atemberaubender Flora und Fauna
? Der Mann hat einen unglaublich guten Riecher, wie sich bald herausstellt! Mit einer großen, verwegenen Crew um Colonel Packard (Samuel L. Jackson), den britischen Veteran James Conrad (Tom Hiddleston) und Fotografin Weaver (Brie Larson
) startet Randa eine Expedition. Bald schon bricht ein ganzes Hubschraubergeschwader durch eine dicke Sturmfront und dringt in den Ort ein, "wo Mythos und Wissenschaft zusammenkommen". Sie beschallen die Insel breit grinsend mit Black Sabbath und werfen erstmal ein paar Bomben ab. Keine fünf Minuten später hat Kong alle Helikopter vom Himmel geholt und einen großen Teil der Mannschaft plattgetreten. Zurück bleiben zwei Splittergruppen. Die einen wollen irgendwie lebend von Skull Island verschwinden. Die anderen wollen diesen großen, bösen Affen töten - was nach dem, was sie auf der Insel bereits erlebt haben, so ungefähr die blödeste Idee ist, die es in einem größeren Film in den letzten 50 Jahren gegeben hat. Aber irgendwo muss die Action ja herkommen. Monumentale Büffel, Spinnen und Waran-Python-Mischwesen setzen den Abenteurern zu, die sich zielstrebig ins Verderben stürzen. Wo "King Kong"-Filme sonst auch immer davon handeln, wie der Mensch im Angesicht des Unbekannten seine hässlichste Seite zeigt, konzentriert sich "Kong: Skull Island" vorwiegend auf dessen dumme Seite. Identifikationsfaktor gleich null. Vogt-Roberts und die Autoren Dan Gilroy ("Nightcrawler") und Max Borenstein ("Godzilla") interessieren sich nicht sonderlich für ihre Figuren, die allesamt blasse Stereotypen bleiben. Das ist angesichts dieses phänomenalen Casts schade, aber für einen Monster-Film in Ordnung. Leider interessieren sich die Macher aber auch nicht für Kong. Der König aller Monster war in früheren Filmen, selbst in den miesesten Stop-Motion- und Mechatronic-Varianten, immer auch eine Persönlichkeit. Vogt-Roberts' Kong hingegen ist nicht mehr als ein technisch herausragend umgesetztes, aber ganz und gar seelenloses CGI-Ungetüm. Und selbst wenn der Regisseur dem Monster mal tief in die Augen blickt, rührt sich da nichts. Genau das, was man dieser Kino-Institution nicht hätte antun dürfen, passiert in "Skull Island": Das 200-Millionen-Dollar-Spektakel degradiert King Kong zu einem XXL-Zirkusaffen. Kong soll seinen zerstörerischen Tanz aufführen, nicht mehr. Ein ganz dünnes Drehbuch mit notdürftig gestopften Logiklöchern, ein oftmals überforderter Regisseur und die schändlich lieblose Handhabe des haarigen Hauptdarstellers: Für sich genommen grenzt "Kong: Skull Island" an eine Frechheit. Für sich alleine aber lässt sich ja heute kaum noch ein großer Blockbuster betrachten - auch dieser nicht. Dass die Handlung in die 70-er verlegt wurde, dass Kong so unwahrscheinlich groß ist, dass er noch weiter wächst - all das bereitet den Boden für ein noch viel größeres Monster-Spektakel als dieses hier: 2020 soll Kong in einem Kampf der Giganten auf Godzilla treffen. Vielleicht gewinnt der König der Monster dann etwas von seiner Würde zurück.
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