Sterben in Cowboystiefeln und High Heels: Matthew McConaughey und Jared Leto in "Dallas Buyers Club"
Dallas, Machismus, staubiges, adrenalin-kickendes Bullen-Rodeo, Sportwetten: Das ist die handfeste Männerwelt von Ron Woodroof – Mitte der 80er. Heute ist es dieses weiße Amerika, das sich politisch radikalisiert: aus Angst vor dem Abstieg, vor Überfremdung, vor den Liberalen mit ihrer Homoehe und dem ersten schwarzen Präsidenten. Und so ist es die Provokation von „Dallas Buyers Club“, dass grade im konservativen Texas-Milieu eine Bombe einschlägt.
„Ich sterbe, und Sie sagen, ich soll mich von ein paar Schwuchteln trösten lassen?“
Woodroof ist ein Holzkopf-Schlitzohr, der im Trailer wohnt, sich in Bierbars und mit billigen Prostituierte rumtreibt. Aber er ist unser Echtes-Leben-Cowboy. Nur gesund sieht er nicht aus, etwas zu schlaksig. Eines Tages bricht der Testosteron-Typ zusammen. Und einer, der gerade mal Filzläuse hatte, bekommt diese neue, „perverse Schwulenkrankheit“ diagnostiziert, ignoriert es, aber das geht nicht mehr. Eine junge Ärztin (Jennifer Garner) legt ihm eine Selbsthilfegruppe nahe. „Ich sterbe, und Sie sagen, ich soll mich von ein paar Schwuchteln trösten lassen?“, fährt er sie an, als er die Diagnose bekommt: noch 30 Tage.
McConaughey als Holzkopf-Schlitzohr
Aber aus dem kurzen Count-down werden Jahre. Denn der Film erzählt die Geschichte, wie Ron sich Bücher kauft, medizinische Magazine liest und – anfänglich in Todes- Panik, dann ruhiger – den Kampf aufnimmt. Als menschliches Versuchskaninchen macht er einen ersten Medikamententest mit und beginnt als Schlitzohr sofort, das Präparat auf dem Schwarzmarkt zu verticken – an die, die er so verachtet: Schwule, Stricher, Transen. Hier ist ein Ansatzpunkt des Filmes: Zwei gegensätzliche Welten kommen zwangsweise in Kontakt. Jared Leto spielt die Drag-Queen Rayon, mit der sich Ron zusammentun muss. Rayon ist weich, weise, aber ebenfalls durchtrieben. Und je mehr Ron von seinem Kumpel als „Verseuchter“ isoliert wird, desto stärker lässt er sich auf Rayons Milieu ein.
Die Kunst einer guten Tragi-Komödie oder eines Dramas mit Witz
Ron wird wider Willen ein Held der sozialen Grenzüberschreitung. Aber der Film öffnet noch eine gesellschafts-politische Ebene: Rons Kampf gegen die Pharmaindustrie. Sie verhindert andere Behandlungsmethoden. So schmuggelt Ron die Präparate aus Mexiko, baut einen Club auf: den „Dallas Buyers Club“, der ins Visier der Gewerbeaufsicht und der Gesundheitsbehörden gerät. Der Trick des Regisseurs Jean-Marc Vallée besteht darin, Ron nicht einfach zum Gut-Menschen mutieren zu lassen. Ihm geht es – wenn schon krank – lange allein um die Kohle, dann erst um Gerechtigkeit. Dass er sich dabei liberalisiert, ist dem sich an konservative Sicherheiten klammernden Haudegen erst gar nicht bewusst. Beide Darsteller sind oscar-nominiert: McConaughey spielt Ron extrem physisch durch alle Höhen und Tiefen, und Jared Leto gibt dem Drag-Klischee Tiefe und Charakter. Dass der Film insgesamt sogar sechs Nominierungen hat, liegt auch daran, dass „Dallas Buyers Club“ kein Betroffenheitsfilm mit der richtigen Haltung ist, sondern auch eine gelungene Tragi-Komödie.
Kino: Leopold, Mathäser, City Monopol (auch OmU) und Münchner Freiheit (OmU) Sowie Cinema in OF R: J.-M. Vallée (USA, 117 Min.)
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