Statt Klicks im Ohr die Bilder dirigieren

Mehr als Kino mit Live-Orchester: Die Musik von Don Davis zum komplexen Sci-Fi-Film „The Matrix” unterscheidet sich vom klassischen Sound. Aber der Münchner Dirigent Frank Strobel hat alles im Griff
Florian Koch |
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Was ist die Matrix? Mit dieser Frage beschäftigten sich seit 1999 Millionen Kinogänger. Das Science-Fiction-Spektakel der Wachowski-Geschwister setzte mit seiner Superzeitlupen-Ästhetik nicht nur technisch Maßstäbe, sondern begeisterte auch mit philosophischen Gedankenspielen über Realität und Virtualität. Der Kampf des Auserwählten Neo (Keanu Reeves) gegen die alles kontrollierende Maschinenwelt spiegelt sich auch in der ungewöhnlichen Musik von Don Davis wieder. Unter der Leitung von Frank Strobel begleitet die NDR Radiophilharmonie den Film live.

 

AZ: Herr Strobel, in Internet-Foren steht, der Soundtrack von „The Matrix” klingt, als wären „die Musiker gerade mit dem Stimmen und Einspielen ihrer Instrumente beschäftigt”. Können Sie die Irritationen nachvollziehen?
FRANK STROBEL: Ja. Don Davis benutzt zwar den großen Orchester-Apparat, den man aus dem Hollywood-Kino kennt, aber schreibt keine Hollywood-Symphonik. Es ist vielmehr eine Mischung aus Avantgarde, Minimal Music und klassischer Filmmusik auf hohem Niveau. Das Interessante an „The Matrix” ist, dass man mit dem Klischee eines Science-Fiction-Soundtracks wie bei „Star Wars” nicht weit kommt. Dementgegen entfaltet die Musik von Don Davis eine große Sogwirkung, die den Hörer mitten in den Film hineinzieht.

Die Musik hat viele elektronische Elemente. Wie setzen Sie die live um?
Tatsächlich gibt es Mixtakes, in denen viel elektronische Musik enthalten ist. Die spielen wir jetzt mit 100 Musikern, darunter 12 Schlagzeugern, live. Aber wir haben auch elektronische Zuspielungen, auf die sich das Orchester drübersetzen muss. Bei diesem Aufwand kommt am Ende eine riesige Partitur heraus. Allein die Streicher haben jetzt ein 100-seitiges Buch auf dem Pult. Das ist schlimmer als Parsifal!

Wie fallen Sie bei einem so schnell geschnittenen Actionfilm nicht plötzlich raus?
Ich dirigiere nach dem Bild, das ich im Monitor vor mir habe. Das atmet man als Musiker mit dem Film dann anders als wenn man nur ein Klick im Ohr hat. Sonst wird es mir zu mechanistisch. Wichtig ist natürlich auch, dass ich mit dem Orchester wie aus dem Effeff harmoniere.

Verzichten Sie völlig auf die Klicks im Ohr?
Nein, es gibt Takes, für die ich Klicks auf dem Ohr habe. Die benötige ich wegen der elektronischen Takes, die zugespielt werden, aber das Orchester mitspielt. Wenn ich sie nur aus dem Raum hören würde, wäre es zu spät für mich.

Filme live mit Orchester ist in Mode. Wann ist für Sie diese Verbindung sinnvoll?
Die Musik muss eine erzählerische Bedeutung haben und nicht nur Räume illustrieren.

Ihre Eltern waren Betreiber des Kinos Forum 2 am Olympiadorf. Sind Sie deshalb auf Filmmusik spezialisiert?
Als Kind habe ich wohl intuitiv begriffen, was Kino eigentlich ist. Mit zwölf Jahren begann ich auch, mir Filme selber und meinen Freunden vorzuführen, wenn kein Betrieb war. In München bin ich dann auf ein musisches Gymnasium gegangen, da war mir früh klar, dass ich die Musik mit dem Film verbinden will.

Wir sind im Wagner-Jahr. Ist Filmmusik in der jetzigen Form ohne seinen Einfluss überhaupt denkbar?
Für ihn und seine Idee, ein Musiktheater zu machen, wäre das Kino die Optimalform gewesen im Sinne des Gesamtkunstwerks.

Philharmonie, 19. Mai, 20 Uhr (engl.OVmdtU), 42 bis 85 Euro: muenchenticket.de; Tel. 54818181

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