Sportwetten-Drama "Spielmacher" : Gut gegen Böse, wie im Western
Einst hatte Ivo, gespielt von Frederick Lau, Hoffnung auf eine Karriere als Fußballprofi. Nun kommt er aus dem Gefängnis und rutscht bald ab in die Halb- und Unterwelt der illegalen Sportwetten. Sein Gegenspieler ist der lokale Unterwelt-Boss Dejan (Oliver Masucci), der in China auf Amateur-Fußballspiele wettet, deren Ausgang er in Deutschland manipuliert. Antje Traue spielt in diesem dramatischen Regie-Debüt von Timon Modersohn Vera, die Ivo Halt im Leben gibt.
"Es gibt da eine Kleinigkeit, die du für mich machen kannst." Mit diesem Satz aus dem Mund von Dejan, dem Ruhrpott-Paten der illegalen Sportwetten, kippt die junge Freundschaft endgültig. Bis dahin sah es so aus, als könnte dieser charismatische Dejan dem Ex-Fußballer und Ex-Häftling Ivo helfen, wieder Anschluss an die Welt zu finden. Bald aber zeigt sich, dass die beiden Männer sich aus sehr unterschiedlichen Gründen für Fußball und junge Talente interessieren.
Regisseur Timon Modersohn erzählt in seinem Kino-Debüt von einem Mann, der versucht, nach dem Gefängnis ein anständiges Leben anzufangen, aber niemand gibt ihm eine Chance. Stattdessen rutscht er mit verblüffender Natürlichkeit hinein in die Unterwelt, die beherrscht wird von seinem kroatischen Landsmann Dejan. Frederick Lau spielt diesen Ivo zunächst gar nicht als Zerrissenen, sondern als Mann, der mit der hellen wie der dunklen Welt gleichermaßen vertraut ist. Zerbrechlichkeit und Brutalität sind in seinem Charakter lange kein Widerspruch – eine Rolle, wie gemacht für Frederick Lau.
Als sein Gegenspieler im Duell der Charismatiker tritt Oliver Masucci an. Für diesen Dejan ist die Unterwelt längst zur natürlichen Umwelt geworden. Gewissermaßen als rettender Engel kommt Vera (Antje Traue) daher, deren Sohn ein Fußball-Hoffnungsträger im Verein ist. Den starken Darstellern und den tollen Bildern steht eine etwas leicht vorhersehbare Handlung gegenüber. Da hätten ein, zwei Wendungen mehr im Drehbuch noch viel gebracht.
AZ: Frau Traue, "Spielmacher" beleuchtet mit einem starken Ensemble ein Milieu aus Sport und Glücksspiel, das man so nicht oft im Film sieht.
Antje Traue: Mir wurde die Welt der Sportwetten plötzlich in meinem Berliner Kiez bewusst. Ich habe immer mehr Leute an Tankstellen spielen sehen, und gewissermaßen direkt neben meiner Haustür machte plötzlich eine Spielothek auf. Ich merkte, wie das Glücksspiel unser Straßenbild verändert hat, in Berlin vielleicht noch mehr als in München. Mit dem Drehbuch habe ich noch viel mehr Hintergrundinformationen bekommen: 450 Milliarden Dollar weltweit setzen die Wettbüros um, vor allem in China. Das sind unvorstellbare Summen!
Sie sind bei "Spielmacher" auch Co-Produzentin. Was war zuerst da: die Produzentin oder die Schauspielerin?
Zuerst war ich Schauspielerin. Ich hatte das Buch gelesen und ein gutes Gefühl. Also habe ich es der Warner als Filmverleih ans Herz gelegt. So kam meine zweite Rolle als Associate Producer hinzu.
Haben Sie Ihre Produzentinnenmacht gleich ausgenutzt bei der Ausgestaltung Ihrer Rolle, oder war es eher eine stille Teilhaberschaft?
Das war erst einmal eine stille Teilhaberschaft. Ich war froh, dass wir Warner mit ins Boot holen konnten. Was meine Figur angeht, habe ich eigene Ideen mit eingebracht. Aber Oliver Masucci und Frederick Lau lasse ich ihre Figuren natürlich so. Vor den beiden kann ich mich nur verneigen!
Die beiden Männer-Charaktere kommen sich kurz nahe und entfremden sich wieder auf dramatische Weise. Erzählt der Film aus Ihrer Sicht von diesem Männer-Duell zwischen Frederick Lau als Fußballer Ivo und Oliver Masucci als Wett-Pate Dejan? Oder ist es eine Dreier-Konstellation mit Ihnen als Spielermutter Vera, zwischen denen Ivo wie ein Pendel hin und her schwingt?
Es ist eine Männerkonstellation. Für Ivo ist Dejan wie ein großer Bruder, Dejan nimmt Ivo unter seine Fittiche. Der Film hat etwas von einem klassischen Western: Eine Figur spürt den Zwiespalt, sie muss sich zwischen Gut und Böse entscheiden, und der Zuschauer hofft immer, dass er sich für das Gute entscheidet. Der Kameramann Christian Rein hat auch sehr viel mit Großaufnahmen gearbeitet. Mir war gar nicht klar, wie visuell dankbar der Ruhrpott ist, diese Zechen, diese gegen das Licht stehenden Ungetüme. Der Film ist auch visuell wunderschön geworden.
Wo steht Ihre Vera in der Figurenkonstellation?
Sie bleibt letztlich am Spielfeldrand. Vera kennt die Welt der Fußballprofis, sie hat ihren Jungen sehr früh bekommen – von einem Fußballer. Und sie weiß, wie fragil so eine Fußballerkarriere ist. Ein Bänderriss, und es ist vorbei. Insofern kämpft sie auch mit den Träumen ihres Sohnes. Aber letztlich bedeutet die Figur der Vera im Film das Durchatmen, das Zurücklehnen. Sie bringt, jedenfalls wünsche ich mir das, eine Leichtigkeit, die der Film meiner Meinung nach auch gebraucht hat.
Sie ist die verlässliche Größe, die offenbar nie in Versuchung kommt. Das ist ja eine ganz andere Rolle, als Sie zum Beispiel in "Der Fall Barschel" oder "Weinberg" spielen. Dort sind Sie die undurchschaubare, hintergründige geheimnisvolle Frau.
Wenn man das Drehbuch liest, kann man Vera auf ganz viele unterschiedliche Weisen spielen. Für mich war es aber wichtig, dass sie die Bodenständigkeit hat und eine Ankerfigur mit Prinzipien darstellt, an der sich Ivo auch festhalten kann. Sie ist zum Schluss diejenige, die Ivo Orientierung gibt. Ich wollte nicht, dass sie so eine am Leben gescheiterte, frustrierte Frau ist, der man ansieht, dass sie seit über zehn Jahren ein Kind großzieht. Diese Tragik der alleinerziehenden Frau stört mich manchmal am deutschen Film. Sie sollte etwas Lebensbejahendes haben.
Ihr erster Auftritt ist eine Wucht: Wie Vera im Trainingsanzug ihren Sohn vom Sportplatz abholt. Sehr bunt, aber nicht wirklich prollig. Sie wirkt nie ordinär.
Wir haben die Prolligkeit gewissermaßen in die Kleidung gepackt und konnten sie so aus den Spielszenen heraushalten. Diese Linie zu ziehen war mir wichtig.
Vera und Ivo verlieben sich dann bald ineinander.
Die beiden hätten eigentlich noch ein, zwei Szenen mehr gebraucht, um ihre Geschichte zu erzählen. Aber im Vordergrund des Films steht die Beziehung zwischen den beiden Männern. Wir drei kennen uns ja aus der gemeinsamen Arbeit an "Mordkommission Berlin 1", dem 20er-Jahre-Film von Marvin Kren. Wenn man sich schon kennt, kann man ganz anders miteinander spielen. Vor allem solche Liebesszenen wie mit Frederick Lau sind ja am Anfang etwas heikel. Bei uns war aber klar, dass es gut geht, auch weil Frederick ein Bauchspieler ist.
Wie gehen Sie diese Szenen an?
Das Seltsame für mich ist eigentlich das Gespräch davor. Gerade in dem Barschel-Film haben wir uns gefragt: Wie gehen wir diese Szene an, die ganz klar sexuell orientiert sein muss, damit die Beziehung von Anfang an definiert ist? Das Gespräch darüber mit Alexander Fehling und dem Regisseur Kilian Riedhof habe ich als sehr gehemmt in Erinnerung. In dem Moment, wo es zu machen ist, ist es dann eigentlich nur noch ein Springen.
Sie haben in den vergangenen Jahren in internationalen Produktionen wie "Man of Steel" gespielt, zuletzt wieder viel in deutschen, aktuell zum Beispiel in der Netflix-Serie "Dark". Welche Unterschiede gibt es da im Umgang mit Schauspielern?
Gerade in Amerika ist der Beruf des Schauspielers absolut in der Kultur verankert. Man bringt ihnen dort viel Liebe entgegen. Ich habe das Gefühl, dass in Deutschland nicht immer klar ist, was wir zu stemmen haben, und dass die Zeit im Wohnwagen keine Zeit ist, in der ich Däumchen drehe. Der Unterschied im Umgang ist mir als stärkster Unterschied aufgefallen. Und natürlich die Budgets und die Zeit. Bei der deutschen Produktion "Dark" drehen wir sechs Minuten Film pro Tag, bei "Man of Steel" 30 Sekunden.
<strong>Lesen Sie hier auch andere AZ-Filmkritiken</strong>
- Themen: