Spätphase hoch vier

Mit Christopher Walken und Philip Seymour Hoffman gelingt dem Film „Die Saiten des Lebens” eine faszinierende Dichte aus Musik, Psychogramm eines Streichquartetts und Lebensfragen
von  Adrian Prechtel

Man kennt von Patrick Süskind den „Kontrabass”: Es ist das verzweifelt witzige Stück um den Orchester-Kontrabassisten, der als musikalischer Hinterbänkler endlich ins Rampenlicht will. Als größter Gegensatz dazu gilt das Streichquartett als Spitze der Selbstverwirklichung – und Intimität. Aber viele Anekdoten ranken sich um diese klassische Formation: dass das eine „Ehe zu viert” sei, oder dass auf Tourneen jeder in einem anderen Hotel schläft.

In einer Schlüsselszene erklärt die Tochter des Ehepaars (zweite Geige: Philip Seymour Hoffman, Bratsche: Catherine Keener) dem ersten ernst-verbissenen Geiger (Mark Ivanir) das Geheimnis des – fiktiven – Fugue String Quartets: Er ist diszipliniert, ihr Vater gibt Gefühl, ihre Mutter hält grundiert alles zusammen und der Cellist (Christopher Walken) bringt den Geist.

In diesem musikalisch-emotionalen Persönlichkeits-Quadrat zieht Regisseur Yaron Zilberman jetzt alle möglichen Beziehungs- und Konfliktlinien ein: So korrespondiert der Komplex, immer die zweite Geige spielen zu müssen, mit dem Gefühl, zu wenig Aufmerksamkeit von der Ehefrau zu bekommen. Die wiederum bewundert zu stark den Primgeiger und seine Präzision. Und der bricht dann plötzlich aus seinem kalten Gefühls-Konkon und sprengt damit erst recht die Quartett-Struktur – auch blind erotisch, während der altersweise Walken alles zusammenhalten muss. Aber paradoxerweise weiß er, dass – krankheitsbedingt – sein Abschied unweigerlich gekommen ist.

Dieses klare und doch psychologisch vielschichtige, enge Geflecht, das fast alle „Saiten des Lebens” umspannt, ist mit der Aufführung von Beethovens spätem cis-moll-Quartet op. 131 zum 25. Quartett-Jubiläum gekoppelt. Und es gelingt, diese Musik und die Lebenssituationen elegant zu verbinden, was zu witzigen Szenen führt. So wenn Walken bei der ersten Probe erklärt, dass Beethoven – in verzweifelter Trauer über den Tod seines geliebten Neffens – die Sätze durchkomponiert hat. Ein Nachstimmen zwischendurch ist also unmöglich, was die Herausforderung schafft, „im Einklang zu spielen, auch wenn wir inzwischen völlig verstimmt sind.”

Ein weiterer Genuss des Filmes ist, dem Meister Seymour Hoffman zuzusehen, wie er innere Verletzungen, unterdrückte Aggression in einem zutiefst hamonieliebenden Menschen mit minimalen Mitteln zwingend zeigt, wie auch Bösewicht-Minimalist Walken hier hinter der gewohnt fast starr-ruhigen Fassade Güte und Weisheit wunderbar warm durchschimmern lässt. Dass der Film bei alledem dann doch etwas zu durchschaubar konstruiert ist, kann da kaum noch Abbruch tun.

Kino: ABC, City, Neues Arena, Solln, Atelier (OmU)
R: Yaron Zilberman
(USA, 105 Min)

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